Friedhofskippe Brunsbüttelkoog und dort ansässige Industrie

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Header-Kippe.JPG

An dieser Stelle herzlichen Dank an Ute Hansen (Stadtarchiv), Christiane Sengebusch, Helga Jungklaus, der Familie Gleimius, Bernd Schmidt, Uwe Borchers und Doris Ambronn.

Zunächst soll in den folgenden beiden Absätzen der Begriff „Friedhofskippe“ erläutert werden.

Der Friedhof

Kanal-Zeitung vom 17.12.1908

Textquelle:Brb-Spuren 7


Bereits 1894 wurde aufgrund steigender Einwohnerzahlen beschlossen, das Kirchspiel in zwei Pfarrbezirke aufzuteilen.

Zum Pfarrbezirk I gehörten nun Brunsbüttel, Soesmenhusen, Wall, Brunsbüttel-Altenhafen und die Bauernschaften Nordhusen, Groden, Mühlenstraßen, Osterbelmhusen, Belmermoor, Nordorf,Westerbelmhusen und Ohlen.

Zum Pfarrbezirk II zählten Brunsbüttelkoog, Ostermoor, Brunsbüttel-Altenkoog sowie der Brunsbüttel-Eddelaker-Koog.


Am 1. Dezember 1908 wurde der Pfarrbezirk II, Brunsbüttelkoog, zu einer selbständigen Kirchengemeinde.


Der Jakobus-Friedhof Brunsbüttel wurde bis zum 1. Dezember 1911 von Brunsbüttelkoog mitbenutzt. Das Kaiserliche Kanalamt stellte der Kirche ein ca. 3 ha großes Gebiet zwischen der neuen Beamtenkolonie und dem Eddelaker-Koog zur Verfügung, so daß ein neuer Friedhof (Paulus-Friedhof ) entstehen konnte.
Das o.g. Kanalamt übernahm auch die Trockenaufschüttung und ließ einen mit Klinkern gepflasterten und mit Linden bepflanzten Auffahrweg anlegen.
Die erste Bestattung auf dem neuen Friedhof war am 11. Dezember 1911. Als nächstes wurde der Bau einer Friedhofskapelle in Angriff genommen. Der Untergrund ließ einen Steinbau noch nicht zu (siehe Absatz: Die Kippen), daher wurde die Kapelle aus Holz gebaut. Sie wurde von Pastor Fehrs am 1. Oktober 1912 eingeweiht.
Die Pauluskirche wurde am 14.03.1915 eingeweiht.

Fotos der Friedhofskapellen

Die neue Kapelle (Anfangs wegen seiner Bauform auch von vielen scherzhaft „Seelenabschußrampe“ genannt) wurde am 19. Juni 1966 eingeweiht.

Die Kippen

Die erste Kanalverbreiterung und der Bau der Neuen Schleuse Brunsbüttelkoog 1908 bis 1914 bedeutete viele Millionen Kubikmeter Erdaushub, der irgendwo gelagert werden mußte. Das Gelände westlich der im Bau befindlichen Schleusenkammern wurde für den Aushub dieser Kammern genutzt. Das Gebiet wurde dann auch logischerweise „Schleusenkippe“ genannt.

Das Erdreich von der Erweiterung der angrenzenden Kanal-km wurde nordöstlich des neuen Friedhofs zur „Friedhofskippe“ aufgeschüttet.

ERP - Der Marshallplan

Nach dem 2. Weltkrieg mußte neben den medizinischen- und den Ernährungsproblemen auch das Problem der Wohnungsnot in Angriff genommen werden.

ERP-Marshallplan.jpg
George C. Marshall

Quelle: Wikipedia
Da kam der sogenannte „Marshallplan“, offiziell „European Recovery Program“ (kurz ERP ) genannt, gerade zur rechten Zeit. Dieses 12,4 Milliarden Dollar starke, amerikanische Wirtschaftswiederaufbauprogramm für Europa, das der US-Außenminister George C. Marshall ins Leben rief und am 3. April 1948 vom Kongress verabschiedet wurde, sollte die Kriegsfolgen der westeuropäischen Staaten lindern (Quelle Wikipedia).
Auch Brunsbüttelkoog profitierte davon in Form von teilweise zinslosen Krediten zum Häuserbau. Ende 1949/Anfang 1950 konnten auf der Friedhofskippe die ersten Häuser in der Königsberger Straße bezogen werden, bevor dann Anfang der 1950er die ersten ERP-Häuser in der Annastraße, Karlstraße und Wurtleutetweute gebaut wurden.

Aufgrund der vielfältigen Baumaßnahmen und damit einhergehenden Planungen für die Friedhofskippe nahmen die Vorstellungen immer „visionärere“ Formen an.

Neustadt (Friedhofskippe) Brunsbüttelkoog

„Neustadt“ war ein 1949 von der Brunsbüttelkooger Zeitung ins Leben gerufener Name für die zukünftige Friedhofskippe.

Am 26.10.1949 veröffentlichte die Brunsbüttelkooger Zeitung zu einem Artikel auch einen Zukunftsplan der Stadt mit Schule, Sportplatz und Kino für eine Neuansiedlung von bis zu 4000 Einwohnern . Der Plan zeigt auch rechts unten den Sitz der Schuhfabrik Stieger auf dem Gelände, das ab 1950 von der DEA (Deutsche Erdöl Aktien Gesellschaft) zum Aufbau u.a. eines Tankfeldes genutzt wurde (Fertigstellung 1953).
Die damaligen Stadtväter waren da allerdings etwas weitsichtiger und weniger euphorisch. Man behielt sich das Gelände für zukünftige Industrie- oder Gewerbeansiedlung vor.
Parallel zur Bezeichnung Friedhofskippe hielt sich die Bezeichnung „Neustadt“ aber – wie die Werbung zeigt – mindestens noch 10 Jahre.

Weihnachts-Werbung Neustadt 14.12.1959 (der "Silberne Sonntag" war der vorletzte, der "Goldene Sonntag" der letzte verkaufsoffene Sonntag vor Heilig Abend)

Fotos Friedhofskippe

Teil der Friedhofskippe und Memeler Straße 1960er (Quelle:Familie Gleimius)

Zeitungsfotos und Pläne von der Friedhofskippe

Schuhfabrik Stieger

Werbung 1949
Verlobung-1948.jpg

Am 25. Oktober 1946 gründete der Brunsbüttelkooger Otto Peter Stieger in der Ostermoorer Straße auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionslagers eine Schuhfabrik. Diese lief anfangs unter dem Namen „Schuhfabrik Stieger & Friedrich“, wurde dann Ende Dezember des gleichen Jahres umbenannt in „Schuhfabrik Otto Stieger, Brunsbüttelkoog“ , da der Teilhaber Peter Friedrich aus dem Geschäft ausschied.
Ende 1949 wurde ein Konkursverfahren eröffnet, das später in einem Zwangsvergleich endete. Fortan lief die Fabrik unter dem Namen „OTA Schuhfabrikations- und Handelsgesellschaft m.b.H.“ mit Otto Stieger als stellvertretendem, technischem Betriebsleiter.
Im Jahr 1952 wurde der Betrieb nach Garstedt verlegt.
Das Gelände wird heute von der DEA genutzt.

Zeitungsartikel und Gewerbeakten

Fotos Stieger

Ein Zeitungsartikel von der Schuhfabrik Stieger hat eine ältere Brunsbüttlerin dazu bewogen, mir ein Foto aus ihrer Sammlung zur Verfügung zu stellen.
Das Foto rechts ist für diese Seite von Bedeutung, da es den Verlobungstag von Hilda Ludewig im Jahre 1948 zeigt und die frisch Verlobte Schuhe der Schuhfabrik Stieger trug.

Oleonaphta

Textquelle: Brunsbüttelkooger Zeitung

1959 entstand eine Gemeinschaftsgründung der DEA mit der Reichhold Chemie AG, eine Firma, die weltführend auf dem Kunstharzsektor war.
Gegründet wurde die „Oleonaphta Chemische Fabrik GmbH" zur Erzeugung von petrochemischen Ersatzstoffen für die europäischen Werke des Reichhold-Konzerns.
Als Standort wurde eine ausreichend große Fläche neben dem von 1950-1953 gebauten Tanklager Brunsbüttelkoog gewählt.
1962 gingen die ersten Anlagen in Betrieb.
Da die Reichhold-Absatzprognosen sich jedoch als sehr unzuverlässig erwiesen, wurde die Anlage bereits 1963 wieder stillgelegt.

Condea

Textquelle: Brunsbütteler Spuren 9 (Verein für Brunsbütteler Geschichte e.V.) von Christiane Sengebusch

Die Deutsche Erdöl-Aktiengesellschaft Hamburg (DEA) und die Continental Oil Company, Houston Texas (Conoco) gründeten am 28.03.1961 zu gleichen Teilen die „Condea Petrochemie-G.m.b.H“ mit Sitz in Brunsbüttelkoog.
Die Bedingungen waren zu dieser Zeit günstig, da seit 1953 drei Pipelines von Brunsbüttelkoog nach Hemmingstedt und 1959/60 der Ölhafen in Betrieb gingen (Bau des Ölhafens Brunsbüttelkoog).

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Condea-1981.jpg

Bereits ab November 1959 gab es konkrete Gespräche zwischen DEA und Conoco über eine künftige Zusammenarbeit, die in einen 1960 unterschriebenen Grundlagenvertrag mündeten. Dieser beinhaltete gemeinsame Marktuntersuchungen für Alfol-Alkohole in Europa und gemeinsame Forschungsprogramme für Produkt und Prozess. Am 27. Februar 1961 wurde dann in Houston ein umfassender Grundlagenvertrag zur Konkretisierung der Zusammenarbeit unterschrieben. Dieser Vertrag sah vor, gemeinsam und zu gleichen Teilen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen und in Brunsbüttelkoog Produktionsanlagen für 50 000 Jahrestonnen Alfol-Alkohole zu bauen und in der zweiten Jahreshälfte 1963 in Betrieb zu nehmen. Einen Monat später folgte die offizielle Gründung der Condea, die ihr erstes Büro im VTG-Gebäude in der Neuen Rabenstraße in Hamburg hatte. Hier liefen die Planungen für Investitionen, Finanzierung und Organisation an. Außerdem wurden die ersten Mitarbeiter eingestellt. Zu den allerersten gehörten Dietrich H. Rüss und Dr. Klaus Scharpenberg . Rüss übernahm 1963 die Geschäftsführung für den kaufmännischen Bereich und die Finanzen, Dr. Scharpenberg wurde 1962 zum technischen Geschäftsführer bestellt.
In den späteren 1960er Jahren gab es erhebliche Probleme beim Bau eines neuen Werkes auf der „grünen Wiese". Die deutsche Wirtschaft, insbesondere die Chemie und die Petrochemie, boomten. Überall in Deutschland wurden Industrieanlagen errichtet. Das hatte Konsequenzen für die Termineinhaltung.
Für die Condea war es problematisch, eine Betriebsmannschaft zu rekrutieren, die hochkomplizierte Prozeßanlagen bedienen und mit gefährlichen Chemikalien umgehen mußte, da Brunsbüttelkoog kein traditioneller Chemiestandort war.
Neben einem kleinen Stamm von Mitarbeitern der Raffinerie Hemmingstedt setzte sich die Belegschaft aus ehemaligen Landwirten, Bäckern und ähnlichen ortsansässigen Berufsgruppen zusammen. Erschwerend kam in dieser Zeit hinzu, dass wesentliche Reaktionsschritte in den Prozessanlagen umgeplant werden mussten. So ging denn das Jahr 1962 vorüber. Zwar hieß es in einem Artikel vom 3. August 1963 in der Brunsbüttelkooger Zeitung, „daß wohl Ende des Jahres der Gesamtbetrieb gestartet werden kann", tatsächlich aber begann das Anfahren der einzelnen Anlagen erst im Juni 1964 .

1969 gelang dann endlich der Durchbruch: Die Condea machte sich in der ganzen Welt einen guten Namen, so dass schon bald Erweiterungen der Produktionsanlagen notwendig wurden. 1980 kam die native Fettalkoholanlage hinzu. Von da an konnten in Brunsbüttel Fettalkohole sowohl aus petrochemischen als auch aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Das Werk nutzte dabei ein Patent des deutschen Professors und Nobelpreisträgers Karl Ziegler . Bei der Herstellung von Fettalkoholen nach dem Zieglerverfahren entsteht als Nebenprodukt Aluminiumoxidhydrat (Tonerde) . In intensiver Forschungsarbeit gelang es in den 1970er Jahren, für dieses neuartige Produkt Märkte zu erschließen. Schon bald überstieg die Nachfrage die verfügbaren Kapazitäten, sodass auch hier ein weiterer Ausbau erforderlich war.


Schon wenige Jahre nach ihrer Gründung erhielt die Condea einen neuen Anteilseigner: 1970 wurde aus der DEA die Deutsche Texaco AG, die 1987 alleinige Eigentümerin der inzwischen in Condea Chemie umbenannten Gesellschaft wurde. 1988 übernahm die RWE AG die Deutsche Texaco und formte daraus die RWE-DEA Aktiengesellschaft für Mineralöl und Chemie. Im Zuge der Neuorganisation wurde 1991 die Condea Chemie GmbH mit der RWE-DEA verschmolzen. Dies hatte die Umbenennung des Werkes an der Fritz-Staiger-Straße in RWE-DEA zur Folge. Die Produkte gingen allerdings weiterhin unter dem Namen Condea in alle Welt.
Am 1. März 1996 ließ der Konzern dann aber doch wieder die Condea-Fahne am Werkstor aufziehen. Der Name stand nun für die Chemie-Aktivitäten der RWE-DEA. Ende Februar 2000 gaben die Aufsichtsräte von RWE (Essen) und VEW (Dortmund) die Fusion ihrer Konzerne bekannt.
2001 übernahm die Sasol (South African Synthetic Oil Limited) mit Hauptsitz Johannesburg den Betrieb (Internet-Sasol).
2017 hatte die Condea-Sasol ca. 700 Mitarbeiter.

Zeitungsartikel

Fotos

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