Der Eiswinter 1928-1929 in Brunsbüttelkoog

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Uwe Möller, Tel. 04852 2189, mail: Gabuwe@t-online.de

An dieser Stelle herzlichen Dank an Ute Hansen vom Stadtarchiv, Uwe Borchers, Bernd Schmidt, Frauke Sierk, Ulrich Plate, das WSA-Brunsbüttel, Wikimedia, Coron-Verlag für zur Verfügung gestellte Bilder und Artikel

Textquellen:
Archiv Brunsbütteler Zeitung, Stadtarchiv Brunsbüttel, „Die Coron-Chronik“-1929

Kältewelle in ganz Europa, wie seit Jahrzehnten nicht mehr

Hagia Sofia im Februar 1929

Der Zustrom kalter Luftmassen aus der Sowjetunion und eine dichte Schneedecke führten 1929 in ganz Europa zu einer schweren, wochenlang anhaltenden Kältewelle.
Im deutschen Reich wurden im Riesengebirge an den Flußläufen teilweise Temperaturen von minus 40 Grad Celsius gemessen; auch in Berlin waren Minusgrade bis zu 20 Grad keine Seltenheit. Der Rhein war über weite Strecken zugefroren. Das Eis bei Ludwigshafen, oberhalb des Binger Mäuseturms und bei Kaub war so stark, daß Ausflügler es ohne Sorge betreten konnten.
In der Reichshauptstadt wurden wegen Kohlenmangels die Schulen und sämtliche öffentlichen Bäder für die Dauer von 2 Wochen geschlossen. Auf diese Weise wurden nach Angaben des Berliner Magistrats 10 000 Zentner Kohlen täglich eingespart.
Der Fährverkehr von deutschen Ostseehäfen nach Skandinavien kam teilweise zum Erliegen. Ca. 25 Dampfer waren in der westlichen Ostsee vom Eis eingeschlossen.
In Wien, wo die Temperaturen auch auf minus 30 Grad fielen und sämtliche Quellflüsse einfroren, herrschte akuter Wassermangel . In Polen wurde bei minus 47 Grad Celsius der Eisenbahnverkehr vollständig eingestellt. Auch südlichere Gegenden wie die Riviera und Ländereien südlich von Palermo lagen unter einer Schneedecke. Konstantinopel (Istanbul) wurde von einem schweren Schneesturm heimgesucht, so daß der Verkehr zusammenbrach und man die Hagia Sofia in einem Schneekleid bestaunen konnte (siehe Foto rechts).

Zeitungsartikel überregional

Der Winter 1929 in Brunsbüttelkoog

Foto Bockmann
Ausnutzung der Lage

Von Januar bis März 1929 herrschte auch im damaligen Brunsbüttelkoog ein strenger, langanhaltender Frost. Die Folge war, daß – seit der Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals erstmalig – der Schiffsverkehr aufgrund der Eislage zum Erliegen kam.
Am 1. Februar war die Vereisung des Binnenhafens bereits so stark, daß auch nur ein unzuverlässiger Fährverkehr mit den Dampffähren „Heimdall“, „Odin“ und „Thor“ stattfinden konnte (Die Fähren in Brunsbüttel. Infolge zunehmender Vereisung mußte dann auch dieser am 14. Februar eingestellt werden. Der Personenverkehr wurde über die Schleusen geleitet (zu der Zeit war der Personenverkehr auf den Schleusen gestattet). Außerdem wurden Schlepper und Eisbrecher dafür in Dienst gestellt.
Ab dem 22. Februar wurde nicht mehr geschleust, alle Bemühungen, den Verkehr durch den Kanal zumindest „eingleisig“ zu erhalten, waren vergeblich. Die Kanalverwaltung hatte zusätzlich zu ihren 12 starken Schleppern noch 4 große Eisbrecher geordert, aber selbst einem Schiff, wie dem Hamburger Schlepper „Seeteufel“ mit seinen 700 PS gelang es nicht, die Fahrrinne offen zu halten.


Bis Ostermoor erstreckte sich der Mastenwald der eingefrorenen Kähne. An den Dalben zu beiden Seiten des Kanals lagen als unfreiwillige Wintergäste 50 Motorsegler und rund 20 Dampfer verschiedener Natonalitäten zerstreut im Eis fest. Es waren so viele Schiffe, daß der Verein Deutscher Kapitäne und Offiziere der Handelsmarine zweimal eine Versammlung zur Behandlung von Berufsfragen in Brunsbüttelkoog abhielt, zu der die hiesige Lotsenschaft mit eingeladen wurde.
Starker Schneefall hatte die Eisdecke des Kanals mit einem weißen Teppich überzogen. Am 20. Februar hatte man dann einen „breiten Strich“ durch diesen gezogen und einen Verkehrsweg für leichte Fuhrwerke über den Kanal freigegeben, vorbei an Dampfern, die von einer ca. 1m dicken Eisschicht umklammert waren. Über diesen Eisweg entwickelte sich ein lebhafter Verkehr. Von dem „Hauptweg“ bogen, teils mit Wegweisern versehen, zahlreiche Nebenwege ab, die zu den umliegenden Schiffen führten. Zahlreiche Möwen, die immer zutraulicher wurden, bettelten die Passanten auf den Eiswegen förmlich um Futter an. An einer Stelle dieser lebensfeindlichen und doch märchenhaften Winterlandschaft standen zwei Schilder - „Nur für leichte Fuhrwerke“ und „Nur für Motorboote“ - friedlich nebeneinander.

Obwohl Ende Februar für kurze Zeit Tauwetter einsetzte, dauerte es doch bis zum 12. März, bis man an eine Zertrümmerung des Eises denken konnte. Mit Hilfe der beiden russischen Eisbrecher „Trouvor“ und „Jermak“ , die – beginnend am 15. März von Holtenau aus – wieder für eine kleine Fahrrinne sorgten, wurde der Binnenhafen wieder einigermaßen befahrbar.
Am 30. März konnten letztendlich alle Beschränkungen wieder aufgehoben werden.

Fotos aus dem Bereich Brunsbüttelkoog

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Dieses Foto von 1929 vom Brunsbütteler Fotografen Bockmann (Photo Bockmann) zeigt einen Warentransport über den zugefrorenen Kanal. Auf dem Kutschbock saß Ernst Kruse, damals Bierverleger in Brunsbüttelkoog. Der Mann links in Damengesellschaft ist der damalige Gastwirt des Elblotsenhauses, August Inselmann (Die Lotsenhäuser im Bereich Brunsbüttel).

Zeitungsartikel lokal

Es wurde von Kaufleuten schon auf die neue Zuwegung hingewiesen

Chronologischer Ablauf des Winters 1929 in Brunsbüttelkoog

Russische Briefmarke vom Eisbrecher „Jermak“
  • 09.01.1929 – Eis auf der Braake noch unsicher
  • 11.01.1929 – Nach Frostverschärfung Beginn der Schlepperhilfe für kleine Fahrzeuge
  • 16.01.1929 – Starkes Treibeis im Kanal
  • 18.01.1929 – Kurzes Tauwetter mit plus 2 Grad
  • 21.01.1929 – Frostverschärfung
  • 28.01.1929 - Kleinschiffahrt ziemlich stillgelegt, Schlepperhilfe für Schleusentore
  • 02.02.1929 – Starke Verzögerungen im Fährverkehr
  • 06.02.1929 – Anhaltend starker Frost
  • 08.02.1929 – Kanal für Schiffe unter 1800 BRT und Ballastschiffe gesperrt
  • 10.02.1929 – Gesamtverkehr im Kanal gesperrt. Etwa 50 Motorsegler und 20 Dampfer liegen verstreut im Eis fest.
  • 11.02.1929 – Fußgängerverkehr über den Kanal bei Ostermoor
  • 14.02.1929 – Einstellung des Verkehrs der Dampffähre. Personenverkehr durch Schlepper oder über die Schleuse. Leichte Fuhrwerke übers Eis bei Ostermoor.
  • 19.02.1929 – Einstellung des Personenverkehrs durch Schlepper. Starker Fußgängerverkehr übers Eis.
  • 20.02.1929 – Verkehr für leichte Fuhrwerke übers Eis freigegeben.
  • 25.02.1929 – Beginn der Freimachung der Schleusen durch Zersägung des Eises.
  • 27.02.1929 – Absinken der Temperatur auf minus 23 Grad
  • 03.03.1929 – Witterungsumschwung mit Westwind
  • 05.03.1929 – Allmählicher Temperaturanstieg und tagsüber zeitweise Tauwetter
  • 08.03.1929 – Wagenverkehr über Eisstraße gesperrt
  • 10.03.1929 – Lockerung des Eises in den Fährbuchten durch Sprengungen.
  • 11.03.1929 – Beginn der Eisbrecherarbeiten unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Fahrzeuge.
  • 12.03.1929 – Eisstraße auch für Fußgänger gesperrt
  • 13.03.1929 – Schlepper dringen bis Kudensee vor
  • 14.03.1929 – Dampffähre nimmt unregelmäßigen Verkehr mit Schlepperhilfe auf.
  • 15.03.1929 – Start der russischen Eisbrecher „Trouvor“ und „Jermak“ von Holtenau. Erster Dampfer verläßt Binnenhafen durch die Schleusen nach See.
  • 16.03.1929 – Gegen 15.00 Uhr erreicht „Trouvor“ den hiesigen Binnenhafen, 2 Stunden später der größere „Jermak“. Beide Eisbrecher setzen ihre Tätigkeit im Kanal noch bis 21.03. fort
  • 21.03.1929 – Freigabe des eingleisigen Verkehrs für Schiffe mit starken Maschinen
  • 30.03.1929 – Bis auf geringe Eisreste Elbe und Kanal wieder eisfrei. Aufhebung aller Verkehrsbeschränkungen

Die beiden russischen Eisbrecher

Eine weitere, schlimme Folge des anhaltenden Frostes war für die Bevölkerung das Platzen des Hauptwasserrohrs in der Nähe des Gemeindehauses, wodurch die Wasserversorgung für Brunsbüttel und Brunsbüttelkoog für einige Tage unmöglich war.

Erinnerungen einer Zeitzeugin:
Bauunternehmen Kruse Brunsbüttelkoog, Erinnerungen Irene Kruse

Einige kalte Winter in Jahren vor 1929

  • Der Winter der Jahre 1292, 1399, 1460 und 1494 war so streng, daß lange Zeit Wege über das Eis von Deutschland nach Dänemark bestanden.
  • 1323 und 1423 ritt man von Lübeck über die gefrorene Ostsee nach Danzig und übernachtete in Hütten, die auf dem Eis aufgeschlagen wurden.
  • Im Januar 1346 herrschte eine so grimmige Kälte, daß viele Leute im Freien tot aufgefunden wurden. Am 25. Januar erschienen wundersame Kreise um die Sonne
  • In den Wintern 1398 und 1407 konnte man über die Ostsee von Lübeck nach Stralsund und von dort zu den dänischen Inseln gehen.
  • Im Mai 1442 hingen noch Eiszapfen von den Dächern herunter.
  • 1494 reiste man zu Fuß von Deutschland über die gefrorene Ostsee nach Schweden.
  • 1503 erstarrten viele Vögel in der Luft und fielen tot zur Erde.
  • Vom 16. Oktober 1509 bis 9. Februar 1510 herrschte ununterbrochen Frost.
  • 1569 fror es 22 Wochen lang ohne Pause.
  • 1585 hielt eine große Kälte bis zum Pfingsttag, dem 30. Mai, an.
  • Mitte Mai 1600 fror es noch so stark, daß Pferde und Rinder aus Mangel an Futter eingingen.
  • 1707 dauerte der Winter bis Ende April. Es fror ununterbrochen 24 Wochen lang.
  • 1740 erfroren noch am 12. Juni die Aale in den Gräben. 12 Wochen lang konnte man von der Insel Sylt übers Eis zum Festland gelangen.
  • 1770 hielt die strenge Kälte ebenfalls bis in den Juni hinein an.
  • Im April 1845 sperrte das Eis noch die Elbschiffahrt, im Juni trieben in der Ostsee noch Eisschollen
  • Anhaltend kalt waren die Winter der Jahre 1850, 1861, 1870-71, 1893 und 1916-17, darunter war der erstgenannte der kälteste.
  • 1922 fror der Kanal ebenfalls zu.

Einige ausgesuchte Winter nach 1929

1940

1956

1962/1963

Übrigens:
Im letzten Jahrhundert fror der Kanal insgesamt fünf mal stark zu:
1922/23, 1928/29, 1940/41, 1962/63 und 1978/79.

1963 fror der Bodensee komplett zu, er war eine einzige Schlittschuhbahn.
Ein besonders schneereicher Winter mit sehr starken Schneeverwehungen war für Brunsbüttel auch 1969/1970. Bus- und Bahnverbindungen waren dadurch unterbrochen. Man konnte von Schneechaos sprechen. Vom Mehrfamiliengebäude der Wurtleutetweute 53-57a (gegenüber vom bona-Markt) zum Gebäude links davon versperrte eine haushohe Schneewehe den Durchgang zur Helmholtzstraße.
In Husum lagen zum gleichen Zeitpunkt ganze 3 cm Schnee.

1978/1979

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