Emil-Doktor und das Doktorhaus: Unterschied zwischen den Versionen
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''Ich möchte meinen Bericht über das alte Doktorhaus beschließen mit einem Artikel von Dr. Strinzing aus Meldorf, der eine Episode aus dem Leben unseres alten „Emil-Doktor“Haacke in der Zeitschrift „Dithmarschen“, September 1982, beschrieb: '' | ''Ich möchte meinen Bericht über das alte Doktorhaus beschließen mit einem Artikel von Dr. Strinzing aus Meldorf, der eine Episode aus dem Leben unseres alten „Emil-Doktor“Haacke in der Zeitschrift „Dithmarschen“, September 1982, beschrieb: '' | ||
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Ein Arzt, der auf die gleiche Weise wie Dr. Emil Haacke betitelt wurde, war Dr. Johannes Haß. Er hieß in Patienten- und Bekanntenkreisen „Hannes-Dokter“. Seine Praxis befand sich in der Süderstraße 13. Er war wohl der letzte Arzt, der auf diese liebevolle Weise „verewigt“ wurde. | Ein Arzt, der auf die gleiche Weise wie Dr. Emil Haacke betitelt wurde, war Dr. Johannes Haß. Er hieß in Patienten- und Bekanntenkreisen „Hannes-Dokter“. Seine Praxis befand sich in der Süderstraße 13. Er war wohl der letzte Arzt, der auf diese liebevolle Weise „verewigt“ wurde. Kurz vor dem 2. Weltkrieg übernahm er die Praxis vom Sanitätsrat Dr. Haacke, mußte dann aber zunächst als Fallschirmjäger und Arzt dem Vaterland dienen. Sein Mercedes 170 wurde konfisziert und zu Kriegszwecken verwendet. | ||
<br/>Er praktizierte von '''1948 bis 1986'''. | |||
"Hannes-Dokter" war auch bekannt durch seinen legendär unaufgeräumten Schreibtisch, auf dem er selbst aber sofort alles wiederfand. | |||
<br/>Wenn er als Hafenarzt auf fremdländischen Schiffen tätig war, genoß er ein wenig den Duft der weiten Welt. | |||
== Das Doktorhaus == | == Das Doktorhaus == | ||
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=== Fotos vom Doktorhaus === | === Fotos vom Doktorhaus === | ||
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Bild:Doktorhaus-um 1900-BS.jpg|Das Doktorhaus um 1900 | Bild:Doktorhaus-um 1900-BS.jpg|Das Doktorhaus um 1900 |
Aktuelle Version vom 14. November 2023, 16:03 Uhr
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Uwe Möller, Tel. 04852 2189, mail: Gabuwe@t-online.de
An dieser Stelle herzlichen Dank
an Ute Hansen vom Stadtarchiv Brunsbüttel, Helga Jungklaus, Uwe Borchers, Uwe Thomsen, Sammlung Heinz Lewerenz und Familie Gleimius für Unterlagen, Auskünfte, Fotos und sonst. Hilfe.
Dank auch an das Landesamt für Denkmalpflege Kiel, die dem Dithmarschen-Wiki Fotos mit der Anfangsbezeichnung LDSH zur Verfügung gestellt hat. Die Nutzungsrechte liegen ausschließlich dort.
Mein ganz besonderer Dank gilt Bernd Schmidt, der mir mit Fotos, Daten und seinem Wissen über Brunsbüttel-Ort eine große Hilfe war.
„Uns Emil-Dokter“ wurde liebevoll der Arzt genannt, der ab 1888 über 50 Jahre in Brunsbüttel-Ort praktizierte - Sanitätsrat Dr. Emil Haacke.
Die Geschichte der beiden Ärzte im sogenannten Doktorhaus (Sackstraße 1) begann mit dem Großvater von Emil Haacke, Dr.med. et chir. Friede Christiani (1808 – 1888), dem ersten studierten Arzt in Brunsbüttel (Ort). Dieser betrieb von 1832 bis zu seinem Tode 1888 bereits eine Arztpraxis in der Sackstraße 1, die dann danach sein Enkel Emil Haacke übernahm. Wilhelm Johnsen berichtet in seinem Buch „Das schöne Brunsbüttel“, daß Dr. Christiani in dem hochpolitischen Jahr 1848, neben dem Marner Kaufmann Anton Müllenhoff , dem Vater des bekannten Germanisten und Sagensammlers Karl Müllenhoff, Mitglied der schleswig-holsteinischen Landesversammlung für den Wahlbezirk Brunsbüttel-Marne war.
Emil Haacke, geboren am 07.07.1860 in Bremerhaven, gestorben 24.10.1949, erhielt seinen Titel „Sanitätsrat“ und eine Auszeichnung bei der kaiserlichen Marine. Er erlebte kurz vor seinem Tod noch seine Diamantene Hochzeit.
Der Name Dr.med Haacke und Gattin erschienen auch auf der Teilnehmerliste der geladenen Gäste zur Eröffnung der Elbschleusen 1894
Emil Haacke war nach Gründung des Badevereins Brunsbüttel, 1903, deren 1. Vorsitzender.
Erlebnisse und Episoden aus dem Leben von „Emil-Doktor
Aufzeichnung von Marianne Haack, geb. Piehl 1995
Dr. Emil Haacke (genannt Emil-Doktor) war ein gütiger und freundlicher Mensch. Er hat seine Brunsbütteler nach bestem Wissen und Gewissen behandelt, bedoktert. Meine Mutter hielt viel von ihm, hat er doch die kleinen Patienten der Familie, so gut er vermochte, betreut. Aber die Medizin war damals noch nicht so weit wie heute. Unsere kleine Grete starb an Keuchhusten. Peter-Otto war ins Fleth gefallen und der Doktor hat vergeblich versucht, ihn durch Wiederbelebung vor dem Ertrinkungstod zu retten. Dieses war mein erstes, schlimmes Erlebnis und – obgleich ich erst 3 ½ Jahre alt war, habe ich es nicht vergessen.
Reimer Boje starb an Diphteritis, die damals so viele Kinder dahinraffte. Unsere Eltern hatten 3 kleine Kinder im Alter von ca. 2 Jahren verloren.
Herr Doktor Haacke hatte eine Halbchaise, einen Kutschwagen mit halbem Verdeck. Vorne auf dem Bock der Kutscher Jensen, ein braunes Pferd davor – so machte Emil-Doktor seine Krankenbesuche im Dorf und Umgebung. Seine Frau, Maria Haacke, war eine geborene Brütt. Sie kam von dem Brütt-Hof in Osterbelmhusen, der später in den Besitz von Albert Siemen überging und danach an Jürgen Mohr.
Die Haackes hatten drei Kinder:
- 1.Hans Haacke, gefallen im 1. Weltkrieg
- 2.Ottilie Haacke, verheiratet mit Otto Brütt, einem Lotsen aus Brunsbüttelkoog, sie hatten 3 Söhne: Jürgen, Klaus und Henning Brütt
- 3.Paul Haacke, blieb unverheiratet
Ich möchte meinen Bericht über das alte Doktorhaus beschließen mit einem Artikel von Dr. Strinzing aus Meldorf, der eine Episode aus dem Leben unseres alten „Emil-Doktor“Haacke in der Zeitschrift „Dithmarschen“, September 1982, beschrieb:
Er war damals der Senior der Dithmarscher Ärzte, ein Mann an die siebzig. Es war ein gewaltiger Unterschied an Jahren zwischen ihm und mir! Ich denke 30 Jahre. Wir kannten uns sehr gut. In seinem herrlichen Garten habe ich oft gesessen und manch fröhlichen Schoppen geleert.
Mit ihm hatte ich eine Episode, die zu berichten sich lohnt, um die damaligen Verhältnisse aufzuzeigen. Im November 1925 wurde ich von Dr. Haacke zu einer Blinddarm-Operation gerufen. Ich packte alles zusammen, nahm meine Oberschwester mit und auf ging´s bei stürmischem November-Wetter nach Brunsbüttel. Vor Haackes Wohnung wurde umgeladen, denn er sagte uns, mit einem Auto könne man nicht zu dem Ort der Tat fahren!
Im Leuchtturm Soesmenhusen (Weißer Leuchtturm Soesmenhusen), zwischen Brunsbüttel und Brunsbüttelkoog gelegen, war der Leuchtturmwärter plötzlich mit heftigen Leibschmerzen und Erbrechen erkrankt. Wir luden also alles auf Dr. Haackes Wagen um und Rosinante, ein Schimmel, zog an. Es ging über holprige Wege – Teerstraßen gab es damals noch nicht – auf den Deich hinauf. Ich kam mir vor, wie auf einem schwankenden Schiff. Dann fuhren wir den Deich runter und über eine schmale Landzunge zu dem am Elbufer gelegenen Leuchtturm, dessen Feuer uns munter anblinzelte. Am Fuße des Leuchtturms angekommen wurde alles abgeladen und wir betraten den Tagesraum des Leuchtturmwärters. Er lag dort auf einem primitiven Feldbett.
Nachdem ich die Diagnose einer akuten Appendicitis (Blinddarmentzündung) bestätigt hatte, wurde alles auf dem in der Mitte des Raumes stehenden Tisch vorbereitet. Bei Gasglühlicht verlief die Operation programmgemäß und hochbefriedigt traten wir die Rückreise an. Die anwesende Gemeindeschwester kümmerte sich um den Operierten, es gab keine Komplikationen. Bei Haackes kehrten wir noch ein und wärmten unsere durchgefrorenen Glieder durch einen schönen Grog auf.
Erinnerungen an das Doktorhaus, von Karl-Hermann Mähl
Es sind Erinnerungen aus meiner Schulzeit 1926 – 1935
Von meinen Eltern wurde mir ständig gesagt, ich hätte Frau Haacke immer mit Frau Sanitätsrat anzureden. Das hatte dann auch persönliche Vorteile für mich. Wenn es zu Ostern und im Herbst Schulzeugnisse gab, klopfte Frau Haacke ans Fenster und ich mußte dann mein Zeugnis vorzeigen. Ich bekam dann jeweils 1 Reichsmark von ihr (die Reichsmark war von 1924 – 1948 gesetzliches Zahlungsmittel).
Genauso war es zum Jahrmarkt. Ich bin dann mitunter des öfteren hin-und hergelaufen, damit sie mich herein rief. Auch dann gab es eine Reichsmark. Das war damals viel Geld, wenn man bedenkt, daß 1x Karussellfahren bei „Lehmann“ 5 Pfennig kostete.
Das schlimmste Erlebnis war für mich, als ein paar andere Jungs und ich von Paul Haacke beim „Äppel klau´n“ erwischt wurden. Fremde Äpfel schmeckten halt besonders gut, auch wenn sie noch so sauer waren. Wir mußten danach einzeln zu Frau Sanitätsrat und Abbitte leisten. Meine Befürchtung, daß nun meine Geldquelle bei Zeugnissen und beim Jahrmarkt versiegt war, bewahrheitete sich, Gott sei Dank, nicht. Ich bekam weiterhin großzügig das Geld.
Von „Emil Doktor“ weiß ich noch, daß er im „Bauernklub“ kegelte, weil ich damals Kegel aufstellte. Er war außerdem Vorsitzender des Kriegervereins.
Uns „Emil-Dokter“, von Karl Martin
Johann Kruse harr `ne Gruppe vun 8 bit 10 Mann as Trimmer bi dat Kohlenloger. Wenn dor nu een Damper Kohlen bunkern wull, kreeg Johann per Telefon Bescheed, mit sien Trimmers antorücken. Johann sammel sien Lüüd tosamen un denn güng dat mit Fohrrad af to de Arbeit. Ob Sommer oder Winter, ob Dag oder Nacht, ob Ostern, Pingsten oder Wienachten, dat weer eenerlei. In´n Winter fror denn uk mol de Karbidlamp in, ober – um een poor Mark to verdeenen, dä man eben allens un weer froh, to düsse Gruppe to gehörn.
Eenes Nachts kneep sik een Trimmer bi de Arbeit een Finger af. Sien Kumpels bunnen em den Finger af un denn güng dat per Rad no Dr. Haacke in de Sackstraat, no „Emil-Dokter“. Sien Rad stellt he bi´n Dokter an´ne Wand, afsluten brukt he dat ni, damals kunn man in Brunsbüttel noch in grooten un ganzen „mien“ un „dien“ ünnerscheiden. Een fremdet Rad klauen - dat güng goarni.
Johann kloppt an de Döör un öwer em güng dat Sloopstuvenfenster op un uns Emil-Dokter keek in´t Nachthemd in de düstere Nacht.
Dor keem dat to folgenden Dialog:
“ Wat is denn dor ünnen los?“
“Tja, Herr Dokter, ick bün Jan Uhl un bruuk ehr Hölp, ik heff mi op Kohlenlager eenen Finger afkneepen un de mutt nu verbunnen warrn.“
“Wat is dat doch blots för `ne Welt, wi liggt to Bett un sloop den Sloop vun Gerechten, as sik dat hört, un ju arbeit merrn in´ne Nacht un kniept sik noch´n Finger af. - Ik koom glieks dol, ik treck mi blots wat öwer.“ In´t Behandlungszimmer wör Jan den verarzt.
“Den Finger heff ik in´ne Tasch, Herr Dokter.“
“Dat is di een Ding, avers – anneihn kann ik di em nich wedder, Jan.“ De Behandlung woar natürlich ohne Betäubung mookt un Jan bruukt `ne Paus, em woar meist slecht vör Wehdaag.
“Herr Dokter, hol´n Se mi mol mien Priem ut de Westentasch´.“ Un denn beet Jan mol kräftig vun sien Priem af. De Dokter packt den Priem wedder in un wull de Doos´wedder in de Westentasch steeken. Dor sä Jan:
“Nee, ik mutt noch mal afbieten, denn kann´t wiedergohn.“
Na de Behandlung sett Jan sik wedder op sien Rad un fohr trüch no sien Arbeit, den afreeten Finger harr he noch jümmer in sien Tasch, fein in Bodderbrodpapier inwickelt. Sien Familie kunn he dat ni tomoden, ohne Geld no Huus to komen.
“Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“ – dat geev dat dormols noch ni.
Man mutt sik blots to hölpen weten, von Karl Martin
Dat gröttste Problem för uns Dokter weer dormols, möglichst gau to de Patienten hintokomen. Sien Bezirk güng vun Nienkoogsdiek bet no St. Margarethen. Hüttodaags is een Krankenwogen oder een Notarzt in Nullkommanix to Stell. Dormols, ohne Telefon, duert dat bit to 3 Stünn. Vör jeden Krankenbesök muß de Dokter genau öwerleggen, war för een Transportmittel he nehmen wull. Dat richt sik no de Stroot, ob Dag oder Nacht, Sommer oder Winter, Sünn oder Regen weer, dorno müß „Emil-Dokter“ sik jedesmol entscheiden, wat dat beste weer. Bi allerschlechteste Bedingungen nehm he Peerd und Kutschwogen. To een Peerd und Kutsche hört een Stall und Platz för Winterfutter . Man kann dat hüüt noch seen, dor is `ne richtige lütte Schüün un blangenbi steiht dat Kutscherhuus vun Jensen. Grasland und Heuweid hörn ok dorto, vundaag is dor de Stroot „Am Doktorgraben“.
Uns „Emil-Dokter“ köfft sik als eerstes een Dreirad för 2 Personen. Later schafft he sik een Fohrrad mit Kardanwelle an. För uns Jungs weer dat een Wunnerding, een Rad ohne Keed.
To een Auto is uns Emil-Dokter“ ni komen, dorför is he woll to old ween.
As de Köög buut worrn, worrn uk Strooten no den nächsten Hoben buut, Klinkerstrooten no Niefeld, Brunsbüttel und Eddelak. So kunnen de landwirtschaftlichen Erzeugnisse good verköfft warrn.
Peter Claußen weer siet 40 Johrn Chausseewärter vun Nienkoogsdiek bit no Brunsbüttel, sien Nökelnaam weer „Peter-Chaussee“. In de dörtiger Johrn keem sien Söhn bi dat Böhmsnieden an de Stromleitung. No öwer een Stünn keem uns Dokter, awers – dat weer to loot. De Söhn weer doot. De Gegner vun de Elektrizität kreegen nu wedder Water op ehr Möhl, vun wegen den Düwelskrom un den unsichtboren Dood.
Düsse Straaten nutzt natürlich ook uns Dokter. Eenes Nachts keem een Landwirt ut Nienkoogsdiek mit Wagen no den Dokter. He bruukt unbedingt Hölp, sien Frau weer swör krank. Dat Peerd wöör saddelt un den güng dat af no de kranke Frau, de no 3 Stünn den endlich ünnersöcht woar. Uns Dokter harr in de Iel sien Rezeptbook vergeten. De beiden oldmodschen Lüüd harrn keen Papier und Tinte in´t Huus. Dor weer gooden Rat düer. Dor keem de Buer mit een Stück Kritt (Kreide), dat weer allens, wat he funnen harr. Emil-Dokter öwerleggt un den schreew he dat Rezept op de Stuwendöör mit de Kritt. De Döör wor uthookt, op den Wogen packt un de Buur fohr dormit no Marne na de Apothek.
Man mutt sik blots to hölpen weeten.
De folgende lütte Geschicht hett mi 'Luise Kolberg' vertellt:
Is wat länger her, dor kutschier uns Emil-Dokter mol to´n Patienten un keem denn uk in´ne Diekstroot.
Dor weer jüst een Muurmann an´t arbeiden un Emil-Dokter leet anholen un reep:
„Du, Paul, wat Du dor muurst is je ganz scheef“.
Un Paul anter: „Tja, Herr Sanitätsrat, dat is de Ünnerscheed bi uns beiden.
Wenn ik wat falsch mok, denn bliwwt dat noch för lange Tied bestahn, wenn Se wat falsch mokt, denn ward dat begroben“.
Uns Emil Doktor smustergrient blots un föhr wieder.
Een annermol keem een besorgte Mudder no Emil-Dokter un klaagt: Mien Söhn hett meermals Eer versluckt, dat dat achtern al swatt wedder rut kümmt. Kann he darvun krank warrn?
“Ach, dat mookt nix“ sä de Dokter, „jedet Kind mutt eerstmol sien Deel Eer eeten, denn ward dat robust un widerstandsfähig gegen Krankheiten.“
Dat Woort „Immunsystem“ hett man to de Tied ni kennt.
Heute kann sich wohl kaum ein Arzt in diese Zeit zurückversetzen. „Emil-Doktor“ war fast immer auf sich allein gestellt. Bis 1930 kaum Operationen, keine Fachärzte, Schwerkranke wurden auf einer Handkarre ins Krankenhaus gebracht. Es gab kein Penizillin, nur wenige Medikamente und kaum Spritzen. So stand Dr. Haacke vielen Krankheiten wehrlos gegenüber und mußte sich auf die Heilkräfte der Natur verlassen.
Die Familen hatten meistens viele Kinder und mit der Sauberkeit nahm man es auch nicht immer so genau. Gutes Wasser gab es erst ab 1929, aber nur im Ort selbst. Die Hausanschlüsse wurden mit Bleirohren verlegt.
Beim Lesen der Brunsbütteler Kirchenbücher entdeckten wir oft Sterbefälle zweier Kinder einer Familie innerhalb von 14 Tagen.
Bei Hauterkrankungen empfahl Dr. Haacke „Wattlaufen“, manchmal sogar bei offenen Wunden.
Leider gehörte auch das zu "Emil-Doktor"
In NS-Recherchen des Historikers Jens Binckebanck findet sich leider auch eine dunkle Seite von "Emil-Doktor", die hier nicht unterschlagen werden soll.
Quellenangabe: LA S-H Abt. 329 S.-Dithm. Nr.1
Ich möchte im Zusammenhang mit dem Eintrag im Dithmarschen-Wiki über "Emil-Doktor" nur darauf hinweisen, dass Dr. Emil Haacke im Jahr 1935 drei Brunsbütteler und zwei Brunsbüttelerinnen dem Gesundheitsamt im Zuge des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses", also dem Gesetz über die Zwangssterilisation, angezeigt hat. Gott sei Dank wurden alle fünf nicht zwangssterilisiert, aber im Zuge der Anzeige waren die Brunsbütteler(innen) im Visier der Rassenhygieniker. Wegen des Krieges wurden Zwangssterilisationen nur auf "besonders drängende Fälle" reduziert, sollten nach dem "gewonnenen Krieg" aber wieder aufgenommen werden. Für die Brunsbütteler fanden sich während des Krieges noch folgende "Anmerkungen":
- "1943: nicht vordringlich"
- "1942: Ist verkrüppelt. Keine Fortpflanzungsgefahr"
- "1942: Keine Fortpflanzungsgefahr"
- "+1937 (Unglücksfall, Tod d. Ertrinken)"
- "1942: Des Alters wegen nicht zu veranlassen"''
Wie in jeder Biographie in dieser furchtbaren Zeit, ätzte sich das Gift der Ideologie dieses unmenschlichen Regimes auf die eine oder andere Art in das Leben ein.
Bei Dr. Emil Haacke leider dadurch, dass er vier Brunsbütteler(innen) wegen "angeborenen Schwachsinns" und einen Brunsbütteler wegen "Schizophrenie" anzeigte und damit den nationalsozialistischen Rassenhygienikern überantwortete.
Betont werden muss sicherlich in diesem Zusammenhang, dass Haacke nicht zu den rassenhygienischen Fanatikern der Ärzte in Süderdithmarschen gehörte, die regelmäßig ihre Patienten anzeigten, aber es bleiben fünf Brunsbütteler Schicksale, die fortan im Visier des NS-Regimes und seinen Rassenhygienikern standen.
Hannes-Dokter (Dr. Johannes Haß)
Ein Arzt, der auf die gleiche Weise wie Dr. Emil Haacke betitelt wurde, war Dr. Johannes Haß. Er hieß in Patienten- und Bekanntenkreisen „Hannes-Dokter“. Seine Praxis befand sich in der Süderstraße 13. Er war wohl der letzte Arzt, der auf diese liebevolle Weise „verewigt“ wurde. Kurz vor dem 2. Weltkrieg übernahm er die Praxis vom Sanitätsrat Dr. Haacke, mußte dann aber zunächst als Fallschirmjäger und Arzt dem Vaterland dienen. Sein Mercedes 170 wurde konfisziert und zu Kriegszwecken verwendet.
Er praktizierte von 1948 bis 1986.
"Hannes-Dokter" war auch bekannt durch seinen legendär unaufgeräumten Schreibtisch, auf dem er selbst aber sofort alles wiederfand.
Wenn er als Hafenarzt auf fremdländischen Schiffen tätig war, genoß er ein wenig den Duft der weiten Welt.
Das Doktorhaus
Das Haus in der Sackstraße 1 steht schon seit mindestens 1832 an der Stelle, da der Großvater von „Emil-Doktor“, Dr. Christiani, dort schon zu der Zeit seinen Wohnsitz und seine Praxis hatte.
Aufgrund der Aktivitäten beider Ärzte hatte sich der Name „Doktorhaus“ seit mehr als 100 Jahren in Brunsbüttel und Umgebung eingebürgert. Das alte Foto unten links zeigt das Doktorhaus um 1900. Bei dem Mann vor der Haustür mit dem Schnauzbart handelt es sich um „Emil-Doktor“.
Viele Jahre nach der „Ärzte-Ära“ wurde das Haus wieder genutzt.
Fotos vom Doktorhaus
Kunsthaus
1975 übernahmen Anke und Hartmut Gerstenkorn das Gebäude und schufen dort das „Kunsthaus“. Im gleichen Jahr etablierte sich auch Das Rössl in Brunsbüttel, es war aber in dem Sinne keine Konkurrenz, im Gegenteil – man ergänzte sich.
Während im Rössl nach kurzer Zeit ein Musikklub gebildet wurde, setzte man im „Kunsthaus“, dem Namen entsprechend, auf Kunstgewerbe und hochwertige Grafik. Wir haben es ebenfalls als Tee- und Weinstube kennengelernt, mit der Möglichkeit, auch ein paar schmackhafte Bratkartoffeln zu verzehren.
1985, nachdem die Gerstenkorns das Haus einige Jahre nur noch als Wohnung genutzt hatten, waren die beiden entschlossen, nach Irland auszuwandern und das Kunsthaus wurde von Marlies Kany übernommen (siehe Artikel vom 14.09.1985), die es bis Ende 1988 führte.
Fotos Kunsthaus
Emil Hecker und Hartmut Gerstenkorn 1978