Taterpfahl

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Die Drehbrücke bei Taterpfahl

Beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals (Kaiser-Wilhelm-Kanal) in den Jahren von 1887 bis 1895 wurden bestehende Verkehrswege durchschnitten, deren Verbindungen mittels Fähren (Die Fähren in Brunsbüttel) und Brücken wieder hergestellt werden mußten. Bei Taterpfahl war der Bau einer Hochbrücke aufgrund nichttragfähigen Untergrundes nicht möglich. Es sollte (wie auch in Rendsburg) eine Drehbrücke errichtet werden. Die Bauausführungen begannen im Juli 1893, Inbetriebnahme erfolgte am 4. Februar 1895. Nach der alten Kilometrierung befand sie sich bei Kkm 5,7.

Standort der Drehbrücke
Plan der Drehbrücke (aus „Der Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals“ von J.Fülscher)

Sie wurde als Fachwerkkonstruktion mit asymmetrischem Drehpunkt ausgeführt. Die Stahl-Konstruktion der Drehbrücke ermöglichte im Kanal eine Durchfahrtsbreite von ca. 54 m.
Betrieben wurde die Brücke, wie auch derzeit die (Alten) Schleusen in Brunsbüttel, mit Druckwasser, das - in einem eigens dafür gebauten Maschinenhaus neben einem Stellwerk (bei Kkm 6,65) auf der Kanalsüdseite - erzeugt wurde. Ebenfalls auf der Südseite befand sich der Drehkranz der Brücke. Ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen für Brückenwärter wurde auf der Nordseite errichtet. Das ursprünglich auf der Südseite vorgesehene Brückenwärterhaus wurde von Kanalaufsehern bezogen.
Im Mai 1922 wurde mit der Demontage der Drehbrücke begonnen, da der Kanal verbreitert und zuvor (von 1913 bis 1920) die Hochbrücke bei Hochdonn errichtet worden war (siehe Bau der Eisenbahnhochbrücke Hochdonn).
Die Brückenkonstruktion wurde wieder verwendet; sie ist Bestandteil der Klappbrücke bei Lindaunis, wo die Eisenbahnstrecke Flensburg-Kiel die Schlei quert.
(Text teilweise aus Wikipedia)

Eisenbahnbrücke Lindaunis 1931 (Foto:Theodor Möller)

Artikel aus der Kanalzeitung

Siehe auch:

  • Dithmarschen-Traktate 20 Zitat: Die vorhandene Drehbrücke in Taterpfahl (bei Ostermoor) konnte wegen des bis in eine Tiefe von 15 m moorigen Untergrundes nicht wie geplant durch eine Hochbrücke ersetzt werden. Man ging mit dem Neubau so weit nach Osten, bis man auf guten Baugrund am Rande der Geest traf. Die Hochbrücke Hochdonn wurde gebaut und die Brücke in Taterpfahl später abgebrochen.

Postkarten und Fotos zur Drehbrücke

Eisenbahn-Drehbrücke Taterpfahl Sammlung Uwe Möller


Postkarten Gemeinde und Gasthof Taterpfahl

Dieses Gebäude wurde 1913 von Peter Jebens gebaut (08.05.1857 - 31.01.1940). Das Grundstück dazu war ein Geschenk von Michel Lau, dem damaligen Pächter der Gastwirtschaft "Taterphal". Die Ehefrau von Peter Jebens, Margaretha, war eine derzeit sehr bekannte Heilerin, deren Wirkungskreis sich bis in den Hamburger Raum erstreckte. Patienten, die oftmals einen weiten Weg zurücklegen mußten, suchten nach Übernachtungsmöglichkeiten, so daß aus diesem Grund das Gebäude schon 1914 erweitert wurde. Gespeist wurde von den Gästen im naheliegenden Gasthof "Taterphal". (Postkarte von 1915)
Angaben von Annette Mehlig, Urenkelin der Familie Peter Jebens. Danke! Die Heilerin war auch meine Urgroßmutter (Peter Zornig)


Den Tatern auf der Spur

Bernhard von Oberg


Bis hierher und nicht weiter! Von Eulen, Tatern und alten Bräuchen

Zwischen Kilometer sechs und Kilometer sieben des damaligen Kaiser-Wilhelm-Kanals, den man heute Nord-Ostsee-Kanal nennt, lag Taterpfahl. Hier, in Höhe von Ostermoor, querte die Marschbahn, die am stärksten frequentierte künstliche Wasserstraße der Welt, auf einer Drehbrücke, bis sie vor gut 90 Jahren, 12 Kilometer südwestlich der alten Trasse, durch die Eisenbahnbrücke Hochdonn ersetzt wurde. Blättert man in der Dithmarscher Geschichte, so findet sich der Eintrag: Der Taterpfahl markierte die südliche Grenze des Averlaker Donn.

„Burg Peine was maket so feste, dat de Ule bleif sitten im Neste!“

Chronist Oldekop, von dem an anderer Stelle in Dithmarschen-Wiki bereits die Rede war, notierte über den Kampf um die Stadt Peine im Jahr 1519: "Man hat etliche Tage nichts als Rauch und Dampf wahrgenommen und ein fast klägliches Zetergeschrei gehört."

Es war das erste Jahr der Hildesheimer Stiftsfehde, der Fehde zwischen dem Herzog von Braunschweig und dem Bischof von Hildesheim (1518-1523). Es geschah an einem Sonnabend, so berichtet das Heimatbuch über den Landkreis Peine, da reihten sich südlich von Peine die brennenden Dörfer wie die Perlen auf einer Kettenschnur aneinander: Hoheneggelsen, Groß Lafferde, Gadenstedt, Oberg, seit 300 Jahren Sitz der Herren von Oberg, und Münstedt standen in Flammen.

Der Peiner Burghauptmann Fritz von Oberg stand auf den Mauern seiner Stadt und dachte an das bewegte Bild vom Vortag, als die Tatern Krempel und Gerümpel zusammenrafften und vor der heranbrausenden Artellerie des Braunschweiger Geschützhauptmannes Christoph von Eykenrot mit ihren Quartierschlangen und Pulverwagen in alle Winde davon stoben.

Der Chronist erzählt: „Die ersten feurigen Grüße waren bald hinübergegangen, wenn auch zu kurz, und hatten in die Sandkuhle und in den Schwicheldtschen Garten eingeschlagen oder das schmutzige Wasser des Schafteiches gleich Fontänen hoch aufspritzen lassen.“

Nach 24 Stunden hatten sich die Belagerer eingeschossen und heizten Sonntagfrüh pünktlich zur Messe mit ihren Stückkugeln aus den brüllenden Feldschlangen den tapferen Peinern hinter ihren dreifachen Wällen und Gräben in Stadt und Burg tüchtig ein.

Der Chronist weiter: „Von der Burg her antworteten die Wallbüchsen. Brände flogen, Sturmleitern wurden vorgetragen, und das Krachen der Geschütze steigerte sich zu wahrem Höllenlärm.“ Zweimal hatten die Braunschweiger vergeblich gestürmt. Einem dritten Anlauf, das wusste der bischöfliche Burgherr Fritz von Oberg, würden die sturmreif geschossenen Stadtmauern nicht standhalten können. Die Gefahr wuchs von Stunde zu Stunde.

Von Oberg befahl den Peiner Bürgern, die Stadt zu räumen und im Burghof Zuflucht zu nehmen. Dann erteilte er den Befehl, die Stadt anzuzünden und mit brennenden Fackeln und Pechkränzen in Asche zu legen. Das passte den Belagerern nicht ins Konzept. Während seine Peiner in Sicherheit saßen, ließ Oberg bis zum Abend seine Stücke spielen, dass die Rohre glühten.

Dann schlug der letzte Gruß des Herrn von Eykenroth in den Turm ein, der allgemein als „der dicke Gunzel“ bekannt war. Im alten Wehrturm saß eine Eule auf ihrem Nest und brütete vor sich hin schnarchend. Als die Kugel einschlug, schnarchte sie weiter. Fritz von Oberg wertete das gutes Omen: „Burg Peine was maket so feste, dat de Ule bleif sitten im Neste!“ So bekam die niedersächsische Stadt Peine den Beinamen Eulennest.


Der gewesene Tatern- oder Zigeunerpfahl

An diesem an der Amts- oder Zuständigkeitsgrenze aufgestellten Rechtszeichen musste früher das Landfahrende Volk drei Tage rasten, bis ihm gegebenenfalls von einem Vertreter der Obrigkeit der Weiterzug gestattet wurde.

Im 18ten Jahrhundert sollten die Taternpfähle die so genannten Zigeuner abhalten, das Gebiet zu betreten und die Obrigkeit verfolgte sie allein schon wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit auf unmenschliche Weise.

Die Bezeichnung Tatern wurde früher in Norddeutschland und in Skandinavien für Zigeuner gebraucht - heute bezeichnet man Angehörige dieser Volksgruppe richtigerweise als Roma oder Sinti. Tatern leitete sich von Tataren her, für welche man diese Menschen zeitweilig hielt.


100 Jahre nach der Hildesheimer Stiftsfehde: Der Taternplatz unweit Peine und andernorts

Etwa 100 Jahre nach dem Ende der Hildesheimer Stiftsfehde stellte Herzog Georg-Wilhelm von Celle-Lüneburg um 1635 einen Taternphal zwischen dem früheren Amte Lüneburg und der Stadt Springe auf. Die Tatern (Ziegeuner), so heißt es, mussten, wenn sie über die Grenze von Wennigsen kamen, auf dem Taternplatz drei Tage bleiben, ehe sie, von einem reitenden Jäger begleitet, nach Springe durften, um dort auf dem „Tivoli“ zu campieren und sich durch „Kesselflicken“ und „Wahrsagen“, das typische Gewerbe, Geld zu verdienen. Waren die drei Tage vorbei, musste das fahrende Volk die Stadt verlassen. Ordnungsgemäß wurden die Tatern durch den Stadtbüttel bei Hilligsfeld an die Nachbargemeinde weitergereicht.

Auch im Harzgebiet errichtete die Obrigkeit bis vor 200 Jahren Taternpfähle. Diese Pfähle sollten Zigeuner warnen und fernhalten. Sehr beliebt waren Straßenkreuzungen als Ort für einen solchen Warnpfahl. Volkskundler vermuten hinter diesen Pfählen weit mehr. In der Vorstellung der Menschen des Mittelalters hatten solche Pfähle magische Bedeutung. Mit ihnen war ein uralter Abwehrzauber verbunden. So heißt es in der isländischen Egilssaga, dass der Nordmann eine „Nidstange“ gegen den feindlichen Hof aufstellte. Der Bann der Neidstange soll auch gegen natürliche Plagen wie Ratten und Raupen angewandt worden sein.


Bis hierher und nicht weiter!

Mit der Angst vor den fremden Tatern, die man für Spione der Türken hielt, lebte der alte Aberglauben auch in Dithmarschen wieder auf. Der Taternpfahl an den Grenzen der Feldmarck bezeichnete nun jene Stelle, bis wohin die Zigeuner kommen durften. Bis hierher und nicht weiter!

Eine Abart der Taternpfähle waren galgenförmige Gerüste mit Schautafeln, auf denen auch Analphabeten genau sehen konnten, was ihnen bei der Herrschaft blühte, wenn sie das Zeichen missachteten:

Stäupen, Hängen und Zwangstaufen der von Christenmenschen in Obhut genommenen Kinder waren im 18. Jahrhundert die üblichen Sanktionen für das unbeliebte „Zigeunergesindel“.


Was sonst mit Taternkindern passierte

Was sonst mit Taternkindern passierte,… im illustrierten Schimmelreiter (Jens Rusch, Deich-Verlag) geht die Suche nach den Spuren der Tatern weiter. Elke Haien befindet sich im Gespräch mit ihrem Mann, Deichgraf Hauke, dem Schimmelreiter:

Eine Erinnerung überkam sie, und ein fast schelmisches Lächeln brach aus ihren ernsten Augen. „Als ich Kind war“, sprach sie, „hörte ich einmal die Knechte darüber reden. Sie meinten, wenn ein Damm dort halten solle, müsse was Lebigs da hineingeworfen und mit verdämmt werden; bei einem Deichbau auf der andern Seite, vor wohl hundert Jahren, sei ein Zigeunerkind verdämmet worden, das sie um schweres Geld der Mutter abgehandelt hätten; jetzt aber würde wohl keine ihr Kind verkaufen!“

Ein gesellschaftspolitisches Manifest: Toleranz in Zigeunermoll

Erst der Zigeunerbaron, der am 24. Oktober 2010 vor 125 Jahren das Theater an der Wien eroberte, brachte eine vorläufige Wende. So edel und so treu sei keiner wie der Zigeuner, hieß es bei Johann Strauss.



Was sich im, am und um Taterpfahl herum tat

In Dithmarschen verdingten sich die Tatern, die im 19. und 20. Jahrhundert nicht weit von Taterpfahl einen festen Wohnsitz hatten, als Musiker und auch Pferdehändler, stets jedoch mit gebührenpflichtigen amtlichem Brief und Siegel.

Dann verliert sich die Spur der Tatern im Sand der Geest. Was bleibt, sind die Postkarten in Dithmarschen-Wiki sowie die Erinnerung sehr alter Dithmarscher, wenn sie von Burg Richtung Kanal fahren, wo der moorige Boden Wellen schlägt wie die See bei Sturm: „Da haben sie vor hundert Jahren gewohnt, die Tatern, diese Zigeuner!“

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