Franz Samter: Unterschied zwischen den Versionen

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== „Der Kreis muss judenrein werden“ - Die Familie Franz Samter in Brunsbüttel ==
1. Einleitung
In einem Schreiben an den Kreissonderhilfsausschuss Süderdithmarschens aus dem Jahr 1949, in dem Franz Samter seine Verfolgungsgeschichte im NS-Staat dem Ausschuss offenlegen musste, um den Verfolgtenstatus zuerkannt zu bekommen, plädiert Franz Samter im Zusammenhang mit den Verfolgungserfahrungen seiner Kinder Walter und Edith: „Niemals vergessen darf es sein (…)“2.
Brunsbüttel, die Heimatgemeinde der Familie Samter, ist diesem Postulat im Wesentlichen nicht nachgekommen. Dies ist umso bedauerlicher vor dem Hintergrund, den André Heller in seinem wunderbar traurigen Lied „Leon Wolke“ über einen Shoa-Überlebenden textete: „… denn man kann nur Lehren ziehen aus dem, was man nicht vergisst.“3
Erfreuliche Ausnahmen in dem Ringen um das Nichtvergessen sind besonders Uwe Möller, der das in der Stadt noch vorhandene Wissen auf der Internetseite „Dithmarschen-Wiki“4 mit Fotos des Geschäftes und von geschalteten Anzeigen Samters öffentlich zugänglich hält, und Dieter Rett, der ehemalige Direktor des Gymnasiums Brunsbüttel, bei dessen VHS-Vortrag zur Geschichte Brunsbüttels um das Jahr 2005 ich als Zugezogener zum ersten Mal von Franz Samter hörte. Auch der Brunsbütteler Stadtarchivarin gilt mein besonderer Dank. Ute Hansen recherchierte ebenfalls um das Jahr 2005 zur Familie Samter und stellte mir freundlicherweise die gesammelten Informationen zur Verfügung, machte mich auf die im Stadtarchiv befindlichen Akten zu Samter aufmerksam und stand und steht mir häufig mit Rat und Tat zur Seite.
Nur durch Menschen, die sich der historischen Erinnerung annehmen, zu eigen machen und zugänglich erhalten, kann ein historischer Lernprozess gestaltet werden. Umso erfreuter bin ich, dass in diesem Jahr 2018, achtzig Jahre nach den Novemberpogromen 1938, die Lehrer Katharina Dreyer, Robert Friedrichs und Gerd Striebinger vom Gymnasium Brunsbüttel sich der Erinnerung an die Familie angenommen haben und mit zwei Oberstufenklassen ein Projekt realisieren, dessen Ergebnisse am 8. November diesen Jahres, und somit nach der Abfassung dieses Aufsatzes, öffentlich vorgeführt werden sollen.
Zudem hoffe ich mit diesem Aufsatz einen weiteren Beitrag zu einem nachhaltigeren Gedenken an das Schicksal der Familie Samter zu leisten. Anlässlich des achtzigsten Jahrestages der Novemberpogrome soll dabei die Familiengeschichte bis einschließlich dieser „Katastrophe vor der Katastrophe“, wie es Dan Diner beschrieben hat5, im Mittelpunkt stehen, da sich Franz Samter da-nach gezwungen sah, nach Hamburg umzuziehen, um dem Diktum des Kreisleiters Martin Matthiessen, wie es titelgebend geworden ist, nachzukommen und das Leben seiner Familie in Brunsbüttel nicht zu gefährden6. Erst nach dem Krieg, im Juni 1945, sollte die Familie nach Brunsbüttel zurückkehren und der Gemeinde 1955 erneut den Rücken kehren und nach Hamburg zurückziehen.
Vor den eigentlichen inhaltlichen Ausführungen sollen zum besseren Verständnis nachfolgende Hinweise betont werden. Der bekannte Historiker Henry Friedlander hat darauf hingewiesen, dass jede Gruppe, und selbstverständlich trifft dies auch auf Individuen zu, ein Recht auf Selbstdefinition habe7. Der NS-Staat hat dieses Recht auf Selbstdefinition Einzelnen und Gruppen aberkannt und sie rassistisch kategorisiert und hierarchisiert. Wenn im Folgenden von „Juden“ die Sprache sein wird, so bezieht sich dies nicht auf das Selbstverständnis der Betroffenen, sondern meint die Verfolgtenkategorie.
Der Begriff „Mischehe“ bezeichnete seit 1933 die Ehen, in denen ein Partner nach NS-Definition „jüdisch“ und einer „deutschblütig“ war. Der Begriff „Mischlinge“ entstammt der Rassentheorie und bezeichnete nach der NS-Diktion die Kinder aus der Vermischung verschiedener „Rassen“ und beinhaltet eine negative Konnotation.8
Die antisemitischen Verfolgungswellen gegen „Mischehen“ und „Mischlinge“ lassen sich in drei Phasen einteilen. In der ersten Phase von 1933 bis 1935 wurden die Berufs- und Bildungschancen beschränkt und im Wesentlichen keine Unterschiede zwischen den Verfolgtenkategorien gemacht. Während der nachfolgenden Phase zwischen 1935 und 1938 wurden die Regelungen der ersten Phase verschärft und eine Separierung von „jüdischen“ und „deutschblütigen“ Menschen betrieben.
Ab dieser Phase wurden die „Mischlinge“ bessergestellt. Für die „Mischehen“ begann in der dritten Phase nach den Novemberpogromen 1938 die Zeit der Ausnahmen und zeitlich versetzten Repressionen. Im Dezember 1938 schuf Hitler die Kategorie der „privilegierten Mischehe“. Hierunter fielen die Eheleute Samter, da Franz Samter als „jüdisch“, Dorothea Samter, geborene Groetzner, als „deutschblütig“ galten und die Kinder Walter und Edith „nichtjüdisch“ erzogen waren.
Das „privilegiert“ bedeutet z.B., dass der als „jüdisch“ kategorisierte Ehepartner keinen „Judenstern“ tragen musste9 und das Vermögen auf die „deutschblütige“ Partnerin bzw. die Kinder und somit auf die „Mischlinge“ übertragen werden konnte. Bei jedem Radikalisierungsschub der nachfolgen-den Verfolgungsstufen wurde definiert, ob die damit verbundenen Bestimmungen auch für die „privilegierten Mischehen“ und „Mischlinge“ zu gelten habe. Diese zeitliche Verzögerung rettete viele der jüdischen Ehepartner und „Mischlinge“ vor dem Vernichtungsprozess.
Dabei darf sich aber keiner Illusion über die grundsätzliche Zielsetzung der Einbeziehung dieser Verfolgtenkategorien in den Vernichtungsprozess hingegeben werden und in Hamburg kam es noch am 14.2.1945 zu Deportationen von jüdischen Ehepartnern aus „Mischehen“ 10.11
Als letzter Aspekt soll darauf hingewiesen werden, dass für eine umfassende Analyse des Verfolgungsdrucks nicht nur die Anordnungen der administrativen Ebene betrachtet werden dürfen, sondern Herrschaft als soziale Praxis verstanden werden muss, in deren Gesamtensemble auch die regional Verantwortlichen, die Täter vor Ort, Zuschauer, Gaffer, Profiteure, Sich-Distanzierende, Widerstehende und Sich-Widersetzende einbezogen werden müssten, um die Realität der Verfolgungsprozesse und die sich hierin öffnenden Spielräume sowie seiner Radikalisierungsschübe zu verstehen.12
Dies wird der vorliegende Aufsatz aber aufgrund des begrenzten Raumes nicht explizit leisten, sondern nur andeuten können.
2. Die Jahre bis 1933
Franz Samter ist am 30.12.1881 als Sohn von Julius und Franziska Samter, geb. Jacoby, die beide jüdischen Glaubens waren und ein Manufakturwarengeschäft betrieben, in Wollin/Pommern geboren.13 Er hatte insgesamt sechs Geschwister, von denen drei im Säuglingsalter gestorben sind. Ein Bruder verstarb im Alter von 61 Jahren nach einer Operation. Die jüngeren Brüder Paul (*25.3.1884), dessen Ehefrau Else (*16.6.1892) und ihr Sohn Heinz (*20.2.1922) und Kurt (*10.8.1891), dessen Ehefrau Margarete (*21.4.1903) und ihre Söhne Günter (*6.9.1926) und Wolfgang (*6.5.1928), sind 1943 aus Berlin deportiert worden14. Bis auf Günter und Wolfgang Samter, deren Schicksale noch ungeklärt geblieben sind, kamen alle anderen in Auschwitz um15.
In Wollin besuchte Franz Samter zunächst das Realgymnasium und beendete seine Schullaufbahn nach einem Umzug nach Berlin-Köpenick mit der mittleren Reife. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann war er zunächst als Angestellter und später als Geschäftsführer tätig. 1907 kam Samter nach Brunsbüttelkoog und machte sich bald mit einem Textilgeschäft in der Koogstraße 81 selb-ständig.16 Am 19.11.1909 heiratete er Dorothea Groetzner, die evangelisch-lutherischer Konfession war, in Stade17. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Als ältestes Kind wurde am 23.2.1911 Walter und am 21.4.1920 seine Schwester Edith Samter geboren, deren beider Konfession lutherisch war18.
Das Textilgeschäft entwickelte sich nach 1907 nicht zuletzt durch die Verbreiterung des, wie er damals noch hieß, Kaiser-Wilhelm-Kanals und den Bau größerer Schleusen erfolgreich. 1910 wur-de Samter zudem vertraglicher Lieferant für die Kleiderkasse des Kaiserlichen Kanalamtes, so dass Samter 1913 zwölf Angestellte beschäftigte und er und seine Familie, wie es in den Akten heißt, „bei der Bevölkerung in einem guten Ansehen“19 stand.20
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 wurde auf Initiative Samters eine freiwillige Kriegsfürsorge ins Leben gerufen und zudem mietete er Räume in der Nähe seines Geschäftes an, um dort 16 Lazarettbetten auf eigene Kosten zur Verfügung zu stellen.21 In diesen Jahren war auch Franz Samters jüngster Bruder Kurt bis zu seiner Einberufung im Textilgeschäft beschäftigt. Dies geht aus der Kanal-Zeitung des Jahres 1916 hervor, die berichtete: „Herr Kurt Samter, Bruder des jetzt ebenfalls im Felde befindlichen Kaufmanns Herrn Franz Samter und bis zu seiner Einberufung in dessen Geschäft hierselbst tätig, z.Zt. bei einer Maschinengewehr-Scharfschützentruppe im Osten, hat das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhalten.“22 .Franz Samter war 1915 bis 1918 Soldat und er-krankte 1917 schwer an der bakteriellen Ruhr, die ihn drei Monate in Lazaretten in Byalistok und Minsk fesselten und zu wiederholten Rückfällen geführt haben. Zudem litt Samter seit 1918 an einer Stirnhöhlenvereiterung, die er aufgrund der Kriegsumstände verschleppte und die dazu führ-te, dass die linke Stirnhöhle seit 1920 zweimal aufgemeisselt werden musste.23
Zwischen 1920 und 1933 war Samter u.a. Vorsitzender des Vereins für Handel, Gewerbe und In-dustrie, Mitglied der Gemeindevertretung, der Industrie- und Handelskammer Altona und in dessen Fachausschuss für Einzelhandel tätig.24
== „1933 begann (…) der Leidensweg“ 25 - Die Jahre 1933 - 1938 3.1 Der Aprilboykott 1933 ==
Bereits seit Februar 1933 war es neben der Verfolgung der Arbeiterbewegung auch zu antisemitischen Maßnahmen im Zuge der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933, der sogenannten Reichstagsbrandverordnung, gekommen, durch die wichtige Bürgerrechte der Weimarer Reichsverfassung außer Kraft gesetzt wurden. Auch die Ausschreitungen gegen Juden wurden in der internationalen Presse aufgegriffen und verurteilt. Dies führte jedoch zu einer verstärkten Verfolgungswut und einer Geiselaktion, die ausdrücklich von Hitler gebilligt wurde und von Julius Streicher, dem Herausgeber des antisemitischen Hetz-blattes „Der Stürmer“, und Joseph Goebbels organisiert wurde. Joseph Goebbels schrieb dazu: „Wir werden gegen die Auslandslüge nur ankommen, wenn wir ihre Urheber oder doch wenigstens Nutznießer, nämlich die in Deutschland lebenden Juden, die bisher unbehelligt blieben, zu packen bekommen. Wir müssen also zu einem großangelegten Boykott aller jüdischen Geschäfte in Deutschland schreiten. Vielleicht werden sich dann die ausländischen Juden eines Besseren be-sinnen, wenn es ihren Rassegenossen in Deutschland an den Kragen geht.“26
Ein Boykottaufruf, der in den Zeitungen des Deutschen Reiches aufgegriffen wurde, befahl in aller Öffentlichkeit die Aktion. Die Ausführung oblag einem „Zentralkomitee zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze“.27 Dieses „Zentralkomitee“ organisierte und delegierte das weitere Vor-gehen auf Gau-, Kreis- und Ortsebene. Die „Marner Zeitung“ vom 31.3.1933 schreibt u.a. unter der Überschrift „Die Durchführung des Boykotts“: „(…) Die Aktionskomitees (deren Mitglieder keinerlei Bindung mit Juden haben dürfen) stellen sofort fest, welche Geschäfte, Warenhäuser, Kanzleien usw. sich in Judenhänden befinden. Es handelt sich bei dieser Feststellung selbstverständlich um Geschäfte, die sich in den Händen von Angehörigen der jüdischen Rasse befinden. Die Religion spielt keine Rolle. Katholisch oder protestantisch getaufte Geschäftsleute oder Dissidenten jüdischer Rassen sind im Sinne dieser Anordnung ebenfalls Juden. (…) Die Aktionskomitees übergeben das Verzeichnis der festgestellten jüdischen Geschäfte der SA und SS, damit diese am Sonnabend, den 1. April 1933, vormittags pünktlich 10 Uhr die Wachen aufstellen können (…).“28 Am 3.4.1933 vermeldet die „Marner Zeitung“ unter der Rubrik „Provinz und Nachbargebiete“ Vollzug: „Brunsbüttelkoog. Zur Boykottbewegung. Auch hier, wie an allen Stellen des Deutschen Reiches, wurde die Boykottbewegung gegen die Greuelpropaganda des Auslandes durchgeführt. Vor einem jüdischen Geschäft in der Koogstraße standen SA-Posten. Die ganze Aktion verlief vollkommen ruhig.“29
Im Gegensatz zu dieser Pressemitteilung berichtet Franz Samter im Einklang mit der Mitteilung vom 31.3.1933, dass „ (…) sich S.S. und S.A. (Unterstreichung im Original) Leute vor meiner Hausfront, vor dem und in dem Eingang zu meinem Laden“ aufbauten und „hinderten die Kund-schaft am Betreten meines Geschäftes und beschimpften die Kunden als ´Judenknechte` und ähnlichem (…).“ Und Franz Samter fährt mit seinen Schilderungen fort, in denen die Bandbreite der Handlungsoptionen seiner Mitbürger und die Enttäuschung über die nachsichtige Entnazifizierung nach 1945 deutlich wurden: „Von diesem Tage an wurde der offene Boykott in verschärfter Form gegen mich geführt. Nicht nur vor meinem Geschäft wurden Kunden (…) belästigt und bedroht, sondern auch von meinen ´edlen` Nachbarn bespitzelt und bei der Partei denunziert. Kunden, wel-che sich nicht bange machen ließen, wurden bei Verlassen meines Geschäftes photographiert, ihnen auf Fahrrädern nachgefahren, zur Rede gestellt, oft bedroht, auch in ihrer Wohnung aufge-sucht und ihnen gesagt, sie müßten aus der Arbeit, wenn sie beim Juden kaufen. Mit soviel Fleiß, mit soviel Ausdauer, mit soviel Gemeinheit und Fanatismus ist wohl im deutschen Vaterlande seit dem Mittelalter von solchen Hunnen noch nie gearbeitet worden, als von den Nazis 1933-1945. Unsere Entnazifizierungsausschüsse könnten sich bei ihren Urteilen eine Scheibe hiervon ab-schneiden! (…)“30
Der Boykott war der Beginn der Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben. Bis 1935 wur-den bereits 25% der jüdischen Unternehmen aufgelöst oder „arisiert“ und somit in das Eigentum von „Deutschblütigen“ überführt.31
== 3.2 Weitere Boykott- und Verfolgungsmaßnahmen 1933/34 ==
Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurde neben der Ausschaltung politisch Oppositioneller auch ein „Arierparagraph“ eingeführt, der den Aus-schluss von Juden aus dem Staatsdienst ermöglichte. Zwar schränkte die Intervention des greisen Reichspräsidenten Hindenburg zugunsten ehemaliger Frontkämpfer den Wirkungskreis zunächst auf den höheren Dienst ein, jedoch sollten in den nachfolgenden Monaten diese Ausnahmen beseitigt werden und auch andere Organisationen und Vereine übernahmen „Arierparagraphen“ in ihre Satzungen.32 Am 22. August 1933 erging in zahlreichen Orten zudem ein „Badeverbot für Ju-den“ in öffentlichen Bädern.33
Diese und weitere niederschmetternden Verfolgungs- und Boykotter-fahrungen spiegeln sich auch in folgender Schilderung Samters wider: „(…) Mein Sohn, welcher Mischling 1. Grades ist und ich wurden aus Vereinen ausgeschlossen; wo noch Männer am Ruder waren, welche nicht gleich mit den Nazis heulten, legte man uns nahe, auszutreten. Kein Friseur durfte mich und meinen Sohn mehr bedienen. Handwerker lehnten es ab für mich zu arbeiten, (…) mir und meiner Familie war es verboten Kinos, Gaststätten, Badeanstalten usw. zu besuchen. (…) Zeitungen und Zeitschriften bekam ich nicht, teils wurde das Abonnement stillschweigend nicht erneuert, teils weigerten sich die Boten, mir dieselben zuzustellen (…). (…) ein Lehrer der hiesigen Mittelschule verbot es den Mitschülerinnen mit meiner Tochter (Mischling 1. Grades) zu verkehren, sie wurde in der Schule abgesondert, mußte auf dem Schulhof in den Pausen in einer Ecke ste-hen, die andern Mädchen durften sich mit ihr nicht unterhalten. (…)“34
Auch die wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen wurden im Laufe des Jahres 1933 fortgesetzt. So geht aus einem ersten Schreiben vom 22.6.1933 des Hugo H. von der Brunsbüttelkooger Zeitung, wie die Kanal-Zeitung seit 1921 hieß, an Franz Samter hervor, dass die Aufnahme von Anzeigen jüdischer Geschäfte unerwünscht waren und in einem weiteren Schreiben an Samter vom 15.2.1935 wurde ihm endgültig mit „Dank für Ihre bisherige langjährige Kundschaft“35 mitgeteilt, dass seine Inserate nicht mehr angenommen werden. Und der Brunsbütteler Oberpostsekretär Johannes H. teilte am 27.6.1933 schriftlich mit, dass auf Intervention der Brunsbütteler BDM-Vorsitzenden die Reklameschilder Samters in den Räumen der Postämter auf der Nord- und Südseite zu entfernen waren.36
In der Hoffnung auf Reste eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens und in der Verkennung des Charakters des NS-Staates richtete Samter am 19.9.1933 ein Einschreiben an den Brunsbüttelkooger Ortsgruppenleiter Wilhelm Gherardini, in dem er betont, dass obwohl „(…) der Boykott jüdischer Firmen mit Ablauf des 1. April amtlich beendet worden ist (…)“, es dennoch zu offenen und „unsichtbaren Kontrollen“ durch NSDAP-Angehörige gekommen war, „um Kunden festzustellen, welche bei mir kaufen (…)“ und bat „meine Beschwerde zu prüfen und den Boykott gegen mein Geschäft zu unterbinden.“37 Auch aus weiteren Eingaben Samters an den Landrat Dr. Ernst Kracht und den Brunsbüttelkooger Bürgermeister Dr. Heinrich Timm aus dem Jahr 1933 „gegen die Nichtzulassung zur Entgegennahme von Bedarfsdeckungsscheinen der Ehestandsdarlehen“ geht Samters vergebliche Hoffnung auf rechtsstaatliche Reste hervor.38 Sie wurden allesamt abgelehnt.
Auch das Jahr 1934 war von Boykott- und Verfolgungsmaßnahmen geprägt. So geht aus einem Schreiben vom 22.9.1934 des „Reichsbundes des Textileinzelhandels“ hervor, dass auf Einwirken der Brunsbütteler Ortsgruppe Samter aus der Gemeinschaftswerbung des Reichsbundes ausgeschlossen wurde.39 Dies nahm er zum Anlass, sich mit einem Beschwerdeschreiben an das Reichswirtschaftsministerium zu wenden, worin er auf das erwähnte Schreiben hinwies und an-merkte, dass die Ortsgruppe die Boykottmaßnahmen vom April 1933 „im Geheimen gegen mich fortgesetzt“ habe, obwohl das Wirtschaftsministerium öffentlich betont habe, „daß es in der Wirtschaft keine Arierfrage gibt und Einwirkungen politischer Dienststellen auf die Wirtschaft unterbleiben sollten.“40 Zudem verwies er auf die Richtlinien des Reichsbundes, nach denen sich „auch die fachlich geeigneten jüdischen Firmen an der Gemeinschaftswerbung beteiligen“ durften, „voraus-gesetzt ihr bisheriges Geschäftsgebaren gibt zu Beanstandungen keine Veranlassung.“41 Nach diesem Hinweis betonte Samter, sicherlich auch unter Bezugnahme auf seine freiwillige Kriegsfürsorge während des Ersten Weltkrieges und seines Dienstes als Soldat im Ersten Weltkrieg, dass er in der Lage sei, „Beweise zu erbringen, daß ich zu jeder Zeit meine volle Pflicht für Volk und Vaterland getan habe“, und er fuhr mit der Feststellung fort: „Ich brauch mich in nationaler und sozialer Hinsicht hinter niemand zu verstecken.“42 Samter endete mit folgenden Worten, die noch einmal verdeutlichen, dass er den antisemitischen Charakter des NS-Staates und die sich daraus ergebene Bedrohung verkannte: „Meine Beschwerde bitte ich zu prüfen und veranlassen zu wollen, daß mir wirtschaftlich die tatsächliche Gleichberechtigung mit meinen christlichen Kollegen von keiner Seite strittig gemacht wird.“43
Da solche Beschwerdeschreiben nicht vertraulich behandelt wurden und Samter sich in den nächsten Wochen auch noch an andere nichtstaatliche und staatliche Stellen, wie z.B. den Landrat wandte44, ist es naheliegend davon auszugehen, dass die beteiligten lokalen und regionalen Ak-teure von dem Schreiben unterrichtet wurden und deren Repressionsbereitschaft steigerte, wie es anhand der vorliegenden Aktenlage auch nachgezeichnet werden kann. Auch ein Antwortschrei-ben des „Wirtschaftlichen Auskunftsdienstes“ des „Rudolf Lorenz Verlages“ vom 26.11.1934 auf ein Schreiben Samters mit der Bitte um Auskunft, ob ein Zivilprozess in der dargestellten Angelegenheit sinnvoll sei, spiegelt dies wider. In dem Antwortschreiben hieß es: „(…) Immerhin bitten wir aber zu bedenken, daß für den Fall, daß Sie sich auf dem Zivilprozeßwege gegen die Amtswalter wenden, zu befürchten steht, daß Ihnen von der Partei weitere und noch größere Schwierigkeiten gemacht werden. Wir halten einen derartigen Schritt also im Endeffekt für wenig aussichtsreich (…). Wir können Ihnen daher nicht empfehlen, im Wege des Zivilprozesses gegen die Amtswalter vorzugehen (…).“44
Trotz der ablehnenden Bescheide, so denn überhaupt auf Samters Einwendungen geantwortet wurde, und Ratschläge wie dem des Auskunftsdienstes, hatte Franz Samter seinen Glauben an den Normenstaat offensichtlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht verloren und wandte sich am 26.11.1934 sogar an den „Herrn Gemeindevorsteher Dr. Timm“ und beschwerte sich über die an-haltenden Boykottfälle, in denen auch „der stellvertretende Gemeindevorsteher Herr Carl Frauen“45 beteiligt war. Samters zu diesem Zeitpunkt noch unerschütterlicher Glaube, dass ihm Unrecht widerfahre und staatliche Stellen bestrebt sein müssten Abhilfe zu schaffen, scheint bei den lokalen Verfolgungsakteuren einen regelrechten bisher unerreichten Furor hervorgerufen zu haben, der zu folgendem Hilferuf Samters an das Reichswirtschaftsministeriums vom 30.11.1934 um 21.30 Uhr führte: „(…) Jüdischer Geschäftsinhaber bittet dringend um Abhilfe überhandnehmenden Boykotts durch Terrorgruppe drei bis vier Mann: Führer Max Willnat, Kontrolle ein- und ausgehender Kun-den, Belästigung, Verhöhnung, Bedrohung der Kundschaft, Ankleben des Stürmers und Zeitungs-ausschnitten an Bäumen vor dem Geschäftshaus. Was kann ich unternehmen? Konfektionshaus Franz Samter.“46 Auch auf diesen Hilferuf ist keine Antwort überliefert.
In diesen Zusammenhängen ist Franz Samters erste Verhaftung noch hervorzuheben, die am 1.11.1934 erfolgte und auf Veranlassung des Ortsgruppenleiters Wilhelm Gherardini und des stell-vertretenden Gemeindevorstehers Carl Frauen stattfand. Die Inhaftierung erfolgte im Brunsbütteler Gefängnis. Der Haftgrund war, dass Samter nach 20 Uhr ein Paket mit einem Herrenanzug an eine Kundin aushändigte und dies vom SS-Mann Max Willnat beobachtet worden war. Walter Samter, Franz Samters Sohn, fuhr am nächsten Tag nach Altona und sprach bei der dortigen Feldpolizei vor, da er in Brunsbüttel vom Bürgermeister Dr. Timm keine Unterstützung erfahren hatte. Nach der Intervention der Feldpolizei wurde Franz Samter am 2.11.1934 abends aus dem Gefängnis entlassen. In einem nachfolgenden Prozess musste Samter 50 Reichsmark wegen Übertretung der Ladenschlusszeiten und 30 Reichsmark wegen Beleidigung des SS-Mannes Will-nat entrichten.47
== 3.3 Boykott- und Verfolgungsmaßnahmen 1935 ==
Im Jahr 1935 verschärften sich die antisemitischen Maßnahmen. Eine vollständige Wiedergabe der einzelnen Aspekte sind aus Platzgründen nicht zu leisten. Die nachfolgenden Darstellungen sind nur Beispiele.
Am 12.2.1935 wurde den Juden das Hissen von Hakenkreuz- und der schwarz-weiß-roten Reichsflagge verboten.48 Der Amtsvorsteher bzw. Bürgermeister als Ortspolizeibehörde richtete sich im April des Jahres mit einem Schreiben an Franz Samter. Hierin forderte Dr. Timm Samter auf, die schwarz-weiß-rote Flagge an seinem Gebäude zum 1. Mai nicht mehr zu hissen, u.a. mit der Begründung, dass „die wiederholten Vorfälle mit Ihnen große Unzufriedenheiten in der Bevölkerung Brunsbüttelkoogs hervorgerufen haben.“49
Am 11.4.1935 erneuerte Rudolf Heß die Anordnung, dass NSDAP-Mitglieder keinen persönlichen Verkehr mit Juden pflegen dürften und dass der Einkauf in jüdischen Geschäften verboten sei. Zudem kam es im Zeitraum vom Mai bis August 1935 zu verstärkten Boykottaufrufen gegen Ju-den. Alle Kommunalbehörden und Parteiorganisationen sollten den Wirtschaftsboykott als „nationale Aufgabe“ verfolgen. Zudem wurden Juden der Besuch von Kinos, Erholungsanlagen und Kurorten verboten.50 Diese Sachverhalte spiegeln sich auch in den überlieferten Aktenbeständen wider. So richtete der Ortsgruppenleiter Wilhelm Gherardini am 5.7.1935 ein Schreiben an den NSDAP-Anwärter Adolf M., der beobachtet worden war, wie er „am 4. Juli in dem jüdischen Geschäft Franz Samter gekauft“51 habe. Als Konsequenz wurde M. mit nachfolgender Begründung als NSDAP-Anwärter gestrichen: „(…) Wir hätten gerade von Ihnen etwas mehr Disziplin in Bezug auf die Juden erwartet, da Sie doch jederzeit als guter Nationalsozialist gelten wollen, und bei der ersten Kleinigkeit schon umfallen (…).“52 Und ebenfalls am 5.7.1935 richtete sich der stellvertretende Gemeindevorsteher Carl Frauen in der Funktion als „Ortswalter“ der „Deutschen Arbeits-front“ (DAF) an den „Volksgenossen“ Adolf M. und enthob ihn des „Ehrenamtes als Blockwalter der DAF“. Als Begründung führt Frauen u.a. folgende Aspekte an: „Ich mußte leider feststellen, daß Du Dich mit den Zielen der NSDAP und der DAF noch nicht beschäftigst hast, sonst kann es nicht angehen, daß Du Dich noch mit Juden abgibst.“ Und er fuhr mit der Unterstellung fort: „(…) Der Sohn des Juden Samter fährt zu seinem Vergnügen nach Italien und verbraucht dort deutsches Geld. Dieses Geld wird ihm von deutschen Arbeitern gebracht, die in einem Betrieb arbeiten wie es die Kali-Chemie ist (…).“53
Der Werksdirektor dieser Kali-Chemie in Brunsbüttel Dr. Karl Euler - und es fällt schwer in dieser nahen zeitlichen Abfolge einen Zufall zu sehen - richtete sich am 9.7.1935, also nur wenige Tage nach dem oben zitierten Brief, in einer Betriebsversammlung an die Belegschaft und betonte: „Wer beim Juden Samter kauft, wird fristlos entlassen.“54 In dieser Versammlung habe auch der Elektriker Fritz E. gegen Samter polemisiert und dieser selbst be-schreibt die Folgen dieser Betriebsversammlung wie folgt: „(…) Bis auf ein Häuflein Getreuer und Unbeugsamer blieb die Kundschaft total fort. Nicht nur die Arbeiter der Kali-Chemie, auch aus an-deren Betrieben, auch Beamte, Lotsen, Rentner, Bauern.“55
Um diesen, wie es Samter nannte, „Wirtschaftsmord gegen den Juden“ zu überwachen, wurden verstärkt Patrouillen geführt. Um sich gegen diese zu wehren, wandte er sich erneut in Verken-nung deren antisemitischen Charakters an staatliche Stellen, wie dem Landrat, um Abhilfe zu bit-ten. Sogar an die örtlichen Dienststellen wandte sich Samter, trotz der dezidiert negativen Erfah-rungen, erneut. So sprach er am 29.7.1935, da Bürgermeister Dr. Timm erkrankt war, bei seinem Stellvertreter Carl Frauen vor, der Samter beschied, dass Paul W. „als politischer Leiter das Recht zustände, die Bevölkerung über Rassenfragen aufzuklären.“56
Evident wird Samters Fehleinschätzung auch durch ein Beschwerdeschreiben an das Reichspostministerium von Anfang Oktober 1935, in dem er sich beklagt, dass das Brunsbütteler Postamt Nord mit dem Verweis, dass sich die Bevölkerung durch Samters Reklame belästigt fühle, 830 Postwurfsendungen abgelehnt habe. Samter widerspricht der Einschätzung des örtlichen Postamtes, indem er schreibt: „(…) Ich glaube nicht, daß sich die Empfänger belästigt fühlen, weil die Reklame von mir kommt. Es könnte sich in diesem Falle um einen kleinen Bruchteil handeln, der mit 10 von Hundert noch zu hoch veranschlagt sein dürfte (….).“ Und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass „(…) eine Ablehnung, weil ich Jude bin, (…) wohl vom Reichspostministerium als nicht ge-wollt“57 anzunehmen sei. Hier trog zum wiederholten Male die Hoffnung, wie die Antwort des Reichspostministeriums zeigte: „(…) Die Ansicht, daß höchstens 10 vH der Bevölkerung sich durch den Empfang dieser Sendungen belästigt fühlen, ist irrig. Es steht vielmehr fest, daß der größte Teil der Bevölkerung von Brunsbüttelkoog und Umgegend Ihre Postwurfsendungen als un-erwünscht betrachtet (…).“58
Das Jahr 1935 endete mit den „Nürnberger Gesetzen“, die die Entrechtung der Juden in Deutsch-land als Bürger zweiter Klasse zementierten. Durch das „Blutschutzgesetz“ wurden Eheschließungen zwischen Nichtjuden und Juden verboten und deren Geschlechtsverkehr als „Rassenschande“ unter Strafe gestellt. Nach langem Streit zwischen Parteivertretern und der Ministerialbürokratie wurde am 14.11.1935 die 1. Durchführungsverordnung zum „Reichsbürgergesetz“ erlassen, die in den Folgejahren weiter verschärft werden sollte. Hierin wurde festgelegt, dass Juden keine „Reichsbürger“ sein, kein politisches Stimmrecht haben und kein öffentliches Amt ausführen konnten. „Mischlinge 1. Grades“, sofern sie nicht jüdischen Glaubens oder mit Juden verheiratet waren, wurden zunächst von diesen Bestimmungen ausgenommen.59 Im April 1937 wurde die Ordensburg Vogelsang eingeweiht, die der NSDAP als Schulungsort des Nachwuchses der NSDAP-Führungskader diente. Zur Eröffnung waren alle NSDAP-Kreisleiter des Reiches geladen worden und auch der bereits erwähnte Süderdithmarscher Kreisleiter Martin Matthiessen war in die Eifel gefahren, wie aus seiner durchweg apologetischen Autobiographie zu entnehmen ist: „So reisten alle Kreisleiter nach dem Westen, um wieder einmal die Ziele der Partei aus berufenem Munde zu hören.“ Im direkten Anschluss berichtet Matthiessen von Ausflügen in die Umgebung und schließt mit den Worten: „Im ganzen gesehen waren diese Tage eine Erho-lung.“60 Über die dort gehaltenen Vorträge schweigt sich Matthiessen wohlweislich aus. Am 29.4.1937 erläuterte Hitler hier vor den versammelten Kreisleitern des Reiches seine Taktik gegen die deutschen Juden: „Ich will nicht gleich einen Gegner mit Gewalt zum Kampf fordern, ich sage nicht: ´Kampf!`, weil ich kämpfen will, sondern ich sage: ´Ich will dich vernichten! Und jetzt, Klugheit, hilf mir, dich so in die Ecke hineinmanövrieren, daß du zu keinem Stoß kommst, und dann kriegst du den Stoß ins Herz hinein.` Das ist es!“61 Damit war eine neue Eskalationsstufe vorbereitet, die sich im Jahr 1938 Bahn brechen sollte.
== 3.4 „Die Katastrophe vor der Katastrophe“62 - Das Jahr 1938 ==
Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich im März 1938 und des nachfolgenden „Anschlusses“ an das Deutsche Reich kam es dort zu schweren Ausschreitungen gegen österreichische Juden. Waren auf dem Gebiet des Deutschen Reiches von ca. 50 000 jüdischen Geschäften des Jahres 1933 bis zum Juli 1938 ca. 41 000 „arisiert“, so steigerte der ungehemmte Bereicherungsfeldzug der Nationalsozialisten in Österreich noch einmal die materielle Gier im Deutschen Reich auf jüdisches Vermögen und forcierte die Verfolgungsmaßnahmen nicht zuletzt im Zusammenhang mit den deutschen Kriegsvorbereitungen, da die Juden als „natürliche“ Gegner angesehen wurden.63 Das Jahr 1938 steht somit für eine Zäsur in der Gewalt gegen Juden, für den Über-gang von der Diskriminierung und Entrechtung zur systematischen Verfolgung, Beraubung und Vertreibung und wurde von Dan Diner zuerst treffend als „die Katastrophe vor der Katastrophe“, also der Shoa, beschrieben.64 Auf die einzelnen administrativen Verfolgungsschritte soll im Folgenden aus Platzmangel nicht eingegangen werden, sondern Im Vordergrund soll auch in diesem Kapitel der Leidensweg der Familie Samter stehen.
Wichtig für das weitere Verständnis ist es, zu betonen, dass die im Frühjahr begonnen antisemitischen Ausschreitungen in Österreich auf das Deutsche Reich übergriffen und es auch hier reichs-weit zu „entfesseltem Volkszorn“ gegenüber Juden kam, den die Nationalsozialisten nutzten, um antisemitsiche Maßnahmen zu forcieren. So wurde u.a. die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ im Juni 1938, die sich ursprünglich allein gegen sogenannte „Asoziale“ richten sollte, auf Befehl Hitlers auf Juden ausgeweitet, so dass jede Kriminalpolizeistelle eine gewisse Anzahl von „Asozialen“ und vorbestraften Juden in „Vorbeugehaft“ in Konzentrationslager zu nehmen hatte.65 Hinzutrat die seit dem Sommer 1938 vom Regime verschärfte „Sudetenkrise“, die mit einer zunehmenden Kriegs-angst in der Bevölkerung korrespondierte, die gegen Juden als Sündenböcke kanalisiert wurde.
Die Ereignisse, die schließlich in die Novemberpogrome münden sollten, sind nur vor der explosiven Stimmung des gesamten Jahres 1938, die Europa an den Rand eines neuen Krieges führten, zu verstehen. Und Michael Wildt hält fest: „In einer fatalen Umkehrung in der Suche nach den Verantwortlichen für die Kriegsdrohung von den eigentlichen Kriegstreibern auf die Juden, die an dem Geschehen gänzlich unschuldig waren, konnte sich die Anspannung entladen, ohne dass die NS-Führung vor allem Hitler, als der wahre Schuldige angeklagt werden musste. Dass diese Verdrehung der Tatsachen für viele so eingängig war, zeigt die Bereitwilligkeit, antisemitische Begrün-dungen zu akzeptieren und lieber Unschuldige leiden zu sehen oder leiden zu lassen, als die eigene Weltsicht in Frage zu stellen.“66
Dieser dargestellte Hintergrund findet auch seinen Niederschlag in Brunsbüttel in den vorhandenen Akten zu Franz Samter. In der Nacht vom 11. auf den 12. August 1938 wurde die Front seines Geschäftsgebäudes bis zum Gesims des 1. Stockes, die Schaufensterscheiben und die halbe Straßenbreite mit roter Schiffsfarbe und Symbolen wie einem Sowjetstern und Pfeilen beschmiert. Das vorhandene Firmenschild wurde übermalt und mit „Jude“ beschrieben. Samter stellte schriftlich am 12. August bei der Polizeibehörde einen Strafantrag. Am 13. August erhielt er die schriftliche Antwort durch den stellvertretenden Ortsvorsteher Carl Frauen, der sich auf die Baupolizeiverordnung und das Polizeiverwaltungsgesetz berief, dass Franz Samter aufgefordert sei, bis zum nächsten Tag, den 14. August bis 8 Uhr, die Bemalungen zu entfernen, da eine „Verunstaltung des Ortsbildes“ vorliege. Sollte Samter dieser Aufforderung nicht nachkommen, so erfolge die Beseitigung auf Polizeiwegen auf Samters Kosten. In den nachfolgenden Tagen ließ Samter schließlich die Schmierereien beseitigen und beschwerte sich erneut vergebens bei dem Landrat.67 In der Verfolgungsschilderung im Zusammenhang mit dem Bundesentschädigungsgesetz aus dem Jahr 1954 kommt er aufgrund der Augustereignisse zur nachfolgenden Einschätzung und leitet zur nächsten Verfolgungsmaßnahme des Oktobers über: „(…) Das war ein neuer tödlicher Anschlag gegen meine Existenz - aber ich gab noch schwache Lebenszeichen von mir. Da wurde das Finanzamt Meldorf mobil gemacht. Am 10. Oktober 1938 und die folgenden Tage fand eine Buchprüfung und Lagerdurchschnüffelung statt und ein Rollkommando mit einem Landjäger unternahm eine Haussuchung. Das Haus wurde vom Boden bis zum Keller durchsucht - kein Stück blieb auf dem anderen, kein Winkel wurde verschont, kein Buch blieb undurchblättert - aber gefunden wurde nichts. (…)“68
Als nächstes sind die Ereignisse im Zusammenhang mit den Novemberpogromen69 in der Nacht vom 9. auf den 10.11.1938 aktenkundig. In den eigenen Worten Samters, denen ich hier Raum geben möchte, widerfuhr ihm und seinem Sohn folgendes: „(…) Am 9. November70 1938, der totale Krieg gegen alle in Deutschland lebenden Juden! An diesem Tage wurde bei mir schon morgens durch einen Polizisten eine Haussuchung im Geschäft und in der Wohnung durchgeführt. Gegen 14 Uhr erschienen in meinem Laden sechs SS und SA Leute aus Brunsbüttel (Ort), unter Führung des Sturmführer Schade71, um mich und meinen Sohn zu verhaften. Durch einen Haftbefehl konnten sie sich nicht ausweisen. Es wurde mir nicht erlaubt meine Frau, welche in der im 1. Stock gelegenen Wohnung war, zu benachrichtigen, daß wir abgeholt werden. Deshalb weigerte ich mich mitzugehen.
Darauf entsicherte Schade seine Pistole. Als ich ihm erklärte, ich müßte erst noch meine Umsatzsteuererklärung für Oktober machen, stand Schade mit gezogener Pistole hin-ter mir. Mein Sohn und ich wurden unter Staunen und Erregung der Bevölkerung nach dem Rat-haus transportiert, zunächst im Keller desselben, und später in ungeheizte eiskalte Einzelzellen eingesperrt. An der Kellertreppe angelangt, ereignete sich ein dramatischer Zwischenfall. Die Nazischurken hätten unter der erregten arischen Bevölkerung ein Blutbad von ungeahntem Ausmaß anrichten können. Mein Sohn, der nicht verhaftet werden durfte72, wollte seine Mutter, welche einen Nervenzusammenbruch hatte, nicht dem Schicksal allein überlassen. Er protestierte gegen seine Verhaftung. Darauf wurde er von den Naziverbrechern mit Füßen getreten und die Kellertreppe hinunter gestoßen. Diese Misshandlung veranlaßten meinen Sohn sich loszureißen und auszurücken. Das Nazipack verfolgte ihn und schoß auf offener Straße hinter ihm her. Mein Sohn ließ sich dann abführen, wurde 4 Tage im hiesigen Gefängnis festgehalten und dann entlassen.
Ich wurde am 10. November 38 an die Gestapo in Itzehoe unter polizeilicher Bewachung ausgeliefert, am selben Abend mit einem Itzehoer jüdischen Kaufmann durch die Gestapo nach Altona transportiert und in der Nacht mit einem Transport, durch schwer bewaffnete SS bewacht, nach dem K.Z. Sachsenhausen gebracht. Dort angekommen wurden wir mit Kolbenschlägen aus dem Wagen getrieben. Daß auf dem „Marsch-Marsch“ zum Lager eine Anzahl Juden an „Herzschlag“ starben und die Leichen wie krepierte Hunde auf einen Lkw. geworfen wurden, daß die Juden nach Ankunft im Lager etwa 72 Stunden, teils stundenlang in Kniebeuge, bei Regen und Kälte, ohne Essen und Trinken im Freien stehen mußten, sei nur am Rande bemerkt. Ich hatte Glück am 24. Dezember73 38 aus dem K.Z. entlassen zu werden, gebrochen an Leib und Seele!“74
Im Zusammenhang mit einem medizinischen Gutachten nach dem Zweiten Weltkrieg schilderte Samter die „Schutzhaft“ in Sachsenhausen noch ergänzend. Die internierten Juden wurden nach der 72stündigen Tortour zu 360 Mann in einer für etwa 70 Mann berechneten Baracke untergebracht. Hier mussten sie auf Stroh schlafen. Bei völlig unzureichender Ernährung mussten sie Steine schleppen und Baumstümpfe roden. Neben der Arbeit wurden die Häftlinge bis zur Erschöpfung mit Exerzierübungen traktiert. Samter wurden in dieser Zeit einige Vorderzähne durch Faustschläge ausgeschlagen und er wurde mit Fußtritten drangsaliert. Einmal erhielt er einen schweren Schlag mit einem Holzscheit gegen den Kopf, so dass er sein Bewusstsein verlor und nach ein paar Stunden von Mithäftlingen aufgefunden wurde.
Da es verboten war, während der Arbeit zum Wasserlassen zu gehen und sonst Misshandlungen drohten, war Samter gezwungen, dies zu unterdrücken. Nach der KZ-Haft litt Samter unter einer Blasenkrankheit, fing an zu stottern, vermutlich eine posttraumatische Belastungsstörung, und die Wunde durch den Schlag mit dem Holzscheit sollte nie richtig wieder verheilen, so dass die Wunde bis zu seinem Lebensende immer wieder aufbrach. Wie üblich, musste auch Samter sich schriftlich vor der Entlassung aus dem KZ-Sachsenhausen dazu verpflichten, über die Erlebnisse Stillschweigen zu bewahren.75
Bereits seit Juli 1938 versuchte die Familie Samter der „Arisierung“ des Geschäftes zu entgehen, indem Sohn Walter als „Mischling 1. Grades“ die Geschäftsübernahme zu beantragen versuchte, was zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre. In dieser Angelegenheit wandte sich Walter Samter über den Landrat an den Regierungspräsidenten. Der Landrat forderte sodann bei der NSDAP-Ortsgruppe Brunsbüttel eine Auskunft über die „politische Zuverlässigkeit“ Walter Samters an. Diese betonte, dass eine Übertragung auf Walter Samter nicht befürwortet werde, da „(…) durch die Übertragung des Gewerbebetriebes an seinen Sohn, der jüdischer Mischling 1. Grades ist, der Gewerbebetrieb nur äusserlich eine Änderung erfährt insofern, als das Geschäft dann als arisch gilt. In dem inneren Wesen des Gewerbebetriebes wird dagegen keine Änderung zu erwarten sein. (…)“76 Demzufolge, wurde der Antrag mit Bescheid an Walter Samter vom 28. November 1938 vom Landrat abgelehnt.77 Durch die Verfügungen des Regierungspräsidenten vom 13. und 17. Dezember 1938 wurde der Familie Samter unter Bezugnahme auf die „Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938 aufgegeben, das Geschäft und den Grundbesitz bis zum 15.1.1939 bzw. 1.2.1939 zu „arisieren“. Um die „Arisierung“ zu gewährleisten, wurde ein Treuhänder eingesetzt, der das Eigentum der Familie in der Folgezeit veräußerte, ohne dass die Familie eine Reichsmark erhalten sollte.78
Durch den massiven Druck, der auch durch den Kreisleiter mit seiner Maßgabe „Der Kreis muß judenrein werden“79 noch erhöht wurde, zog die Familie Samter schließlich am 27.2.1939 nach Hamburg.80
Dorothea Samter, die Ehefrau Franz Samters, geb. Groetzner, überlebte den Krieg und starb mit 77 Jahren am 8.11.1966 in Hamburg. Edith Michaelsen, geb. Samter, die Tochter von Dorothea und Franz Samter, überlebte den Krieg und starb mit 49 Jahren am 4.10.1969 in Hohenstaufen. Franz Samter überlebte den Krieg und starb mit 88 Jahren am 21.3.1970 in Hamburg.
Walter Samter, der Sohn von Dorothea und Franz Samter, überlebte den Krieg und starb mit 76 Jahren am 13.10.1987 in Hamburg.81
== Fußnoten ==
1 Diese Aussage ließ der Kreisleiter Martin Matthiessen gegenüber Franz Samter verlautbaren. Vgl. Teilbescheid im Entschädigungsverfahren Franz Samter vom 25.10.1954; Landesarchiv Schleswig (LAS) Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 6.
2 Franz Samters Schreiben an den Kreissonderhilfsausschuss in Meldorf vom 19. Juni 1949, hier S. 3f.; LAS Abt. 761 Nr. 11500.
3 https://www.songtexte.com/songtext/andre-heller/leon-wolke-3f31d13.html
4 Vgl.: https://www.dithmarschen-wiki.de/Läden_im_Koog-Koogstraße_81-84#Fotos_Koogstra.C3.9Fe_81, https://www.dithmarschen-wiki.de/Brunsbüttel#Verfolgte_Brunsb.C3.BCtteler
5 Dan Diner: Die Katastrophe vor der Katastrophe. Auswanderung ohne Einwanderung. In: Dirk Blasius & Dan Diner (Hg.): Zerbrochene Geschichte. Leben und Selbstverständnis der Juden in Deutschland. Frankfurt a.M. 1991, S. 138-160.
6 „Auf Befehl des Kreisleiter mußte der Kreis judenrein werden. Meine Familie und ich waren sich in Brunsbüttelkoog des Lebens nicht mehr sicher. Das Gefühl einem Nazimord zu erliegen, befiel uns in der letzten Zeit vor der v. Rath-Affäre fast jede Nacht.“ Schreiben Samters an das Landesentschädigungsamt Schleswig-Holstein vom 21.9.1955. LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 192.
7 Vgl.: Henry Friedlander: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung. Berlin 1997, S. 20ff.
8 Vgl.: Beate Meyer: „Jüdische Mischlinge“. Rassenpolitik und Verfolgtungserfahrung 1933-1945. 4. Auflage Hamburg 2015, S. 20f.
9 Ebenda, S. 21.
10 Ebenda, S. 43.
11 Ebenda, S. 29f.
12 Ebenda, S. 14.
13 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 23.
14 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 166, 169-174.
15 Vgl.: Online-Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de?result#frmResults.
16 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 228/10.
17 Auskunft von Herrn Jürgen Sielemann von der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V., der im Hamburger Staatsarchiv recherchierte. Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich bei Herrn Sielemann für seine Geduld, die er mir gegenüber walten ließ, und hervorragende Expertise bedanken.
18 Auskunft von Herrn Sielemann und für Edith Samter: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 95.
19 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 11.
20 Vgl.: ebenda.
21 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/13.
22 Stadtarchiv Brunsbüttel; Ordner: Recherchen zur Familie Samter. Den Zeitungsausschnitt hat Herr Uwe Möller recherchiert.
23 Vgl. LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 223/5.
24 Vgl. LAS Abt. 761, Nr. 11500, Bl. 11 und Bl. 140.
25 LAS Abt. 761, Nr. 11500, Bl. 2/12.
26 Vgl. Hans-Ulrich Thames: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945. Sonderausgabe in der Sammlung Siedler, Berlin 1994, S. 291ff. Hier findet sich auch das angeführte Goebbels-Zitat.
27 Vgl.: ebenda.
28 Marner Zeitung vom 31.3.1933, Nr. 77.
29 Marner Zeitung vom 3.4.1933, Nr. 79.
30 Franz Samters Schreiben an den Kreissonderhilfsausschuss in Meldorf vom 19. Juni 1949, hier S. 1.; LAS Abt. 761 Nr. 11500.
31 Vgl.: Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden. Katalog der ständigen Ausstellung - Haus der Wannsee-Konferenz. Berlin 2008, S. 38..
32 Vgl.: Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich. Düsseldorf 1979, S. 51-64.
33 Vgl.: Irmtrud Wojak (Hg.) im Auftrag des Fritz Bauer Instituts: Auschwitz-Prozess 4 Ks 2/63 Frankfurt am Main. Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Jahr 2004. März 2004, S. 181. Im Folgenden: Auschwitz-Prozess.
34 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/12.
35 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 62/43
36 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 59/34, 62/43, 62/41.
37 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 60/36. Hier finden sich auch die Zitate.
38 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 61/37 & 38. Hier finden sich auch die Zitate.
39 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 62/42.
40 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 62/44.
41 Ebenda.
42 Ebenda.
43 Ebenda.
44 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 66/49.
45 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 67/50.
46 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 65/47.
47 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/13.
48 Vgl.: Auschwitz-Prozess, S. 183.
49 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 59/35.
50 Vgl.: Auschwitz-Prozess, S. 183.
51 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 52/75.
52 Ebenda.
53 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 58/76. Hier auch alle zuvor angeführten Zitate.
54 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/14.
55 Ebenda.
56 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 77/62.
57 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 63/79.
58 Ebenda.
59 Vgl.: Cornelia Essner: Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns 1933-1945. Paderborn 2002, S. 113-174.
60 Vgl.: Martin Matthiessen: Erinnerungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Meldorf 1980, S. 269. Hier auch die Zitate.
61 Zitiert nach: Michael Wildt: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939. Hamburg 2007, S. 297. Zukünftig: Michael Wildt: Volksgemeinschaft.
62 Dan Diner: Die Katastrophe vor der Katastrophe. Auswanderung ohne Einwanderung. In: Dirk Blasius & Dan Diner (Hg.): Zerbrochene Geschichte. Leben und Selbstverständnis der Juden in Deutschland. Frankfurt a.M. 1991, S. 138-160.
63 Vgl.: Michael Wildt: Volksgemeinschaft. S. 298-309.
64 Vgl.: Raphael Gross: November 1938. Die Katastrophe vor der Katastrophe. München 2013, S. 9ff. Zukünftig: Raphael Gross: November 1938.
65 Vgl.: Michael Wildt: Volksgemeinschaft. S. 301-309.
66 Zu den Ereignissen des Jahres 1938 vgl.: Michael Wildt: Volksgemeinschaft. S. 301-319. Das Zitat findet sich auf S. 319.
67 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2, 12/29, 31/14 und 2/14.
68 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/14.
69 Zu den historischen Hintergründen vgl. z.B.: Raphael Gross: November 1938.
70 In dieser Darstellung irrt sich Samter, wenn er vom 9. November schreibt. Richtig ist der 10. November. Vgl.: Raphael Gross: November 1938.
71 Hierbei handelt es ich um Max Schade, geb. 1891. Vgl. Abt. 460.16 Nr. 173.
72 Himmler ordnete die Verhaftung von 20 - 30 000 „vor allem vermögende Juden“ an - vgl.: Raphael Gross: November 1938. S. 57f. Walter Samter war „Mischling 1. Grades“ und stand somit außerhalb der verfolgten Kerngruppe.
73 Aus den Veränderungsmeldungen des KZ-Sachsenhausen geht hervor, dass Samter am 23.12.1938 entlassen worden ist: ITS-Archiv, Doc No. 4094051#1.
74 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/15.
75 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 222ff. und 228ff.
76 Stadtarchiv Brunsbüttel: Ordner Gewerbeakten Samter.
77 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 71/54.
78 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 140ff.
79 Diese Aussage ließ der Kreisleiter Martin Matthiessen gegenüber Franz Samter verlautbaren. Vgl. Teilbescheid im Entschädigungsverfahren Franz Samter vom 25.10.1954; LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 6.
80 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 27.
81 Vgl.: Stadtarchiv Brunsbüttel: Ordner Samter und Auskunft von Herrn Jürgen Sielemann von der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V., der im Hamburger Staatsarchiv recherchierte.

Aktuelle Version vom 6. Oktober 2021, 11:11 Uhr

Samter 1.jpg

Franz Samter.jpg Quelle: BZ /Jens Binckebanck




„Der Kreis muss judenrein werden“ - Die Familie Franz Samter in Brunsbüttel

1. Einleitung In einem Schreiben an den Kreissonderhilfsausschuss Süderdithmarschens aus dem Jahr 1949, in dem Franz Samter seine Verfolgungsgeschichte im NS-Staat dem Ausschuss offenlegen musste, um den Verfolgtenstatus zuerkannt zu bekommen, plädiert Franz Samter im Zusammenhang mit den Verfolgungserfahrungen seiner Kinder Walter und Edith: „Niemals vergessen darf es sein (…)“2.

Brunsbüttel, die Heimatgemeinde der Familie Samter, ist diesem Postulat im Wesentlichen nicht nachgekommen. Dies ist umso bedauerlicher vor dem Hintergrund, den André Heller in seinem wunderbar traurigen Lied „Leon Wolke“ über einen Shoa-Überlebenden textete: „… denn man kann nur Lehren ziehen aus dem, was man nicht vergisst.“3

Erfreuliche Ausnahmen in dem Ringen um das Nichtvergessen sind besonders Uwe Möller, der das in der Stadt noch vorhandene Wissen auf der Internetseite „Dithmarschen-Wiki“4 mit Fotos des Geschäftes und von geschalteten Anzeigen Samters öffentlich zugänglich hält, und Dieter Rett, der ehemalige Direktor des Gymnasiums Brunsbüttel, bei dessen VHS-Vortrag zur Geschichte Brunsbüttels um das Jahr 2005 ich als Zugezogener zum ersten Mal von Franz Samter hörte. Auch der Brunsbütteler Stadtarchivarin gilt mein besonderer Dank. Ute Hansen recherchierte ebenfalls um das Jahr 2005 zur Familie Samter und stellte mir freundlicherweise die gesammelten Informationen zur Verfügung, machte mich auf die im Stadtarchiv befindlichen Akten zu Samter aufmerksam und stand und steht mir häufig mit Rat und Tat zur Seite.

Nur durch Menschen, die sich der historischen Erinnerung annehmen, zu eigen machen und zugänglich erhalten, kann ein historischer Lernprozess gestaltet werden. Umso erfreuter bin ich, dass in diesem Jahr 2018, achtzig Jahre nach den Novemberpogromen 1938, die Lehrer Katharina Dreyer, Robert Friedrichs und Gerd Striebinger vom Gymnasium Brunsbüttel sich der Erinnerung an die Familie angenommen haben und mit zwei Oberstufenklassen ein Projekt realisieren, dessen Ergebnisse am 8. November diesen Jahres, und somit nach der Abfassung dieses Aufsatzes, öffentlich vorgeführt werden sollen.

Zudem hoffe ich mit diesem Aufsatz einen weiteren Beitrag zu einem nachhaltigeren Gedenken an das Schicksal der Familie Samter zu leisten. Anlässlich des achtzigsten Jahrestages der Novemberpogrome soll dabei die Familiengeschichte bis einschließlich dieser „Katastrophe vor der Katastrophe“, wie es Dan Diner beschrieben hat5, im Mittelpunkt stehen, da sich Franz Samter da-nach gezwungen sah, nach Hamburg umzuziehen, um dem Diktum des Kreisleiters Martin Matthiessen, wie es titelgebend geworden ist, nachzukommen und das Leben seiner Familie in Brunsbüttel nicht zu gefährden6. Erst nach dem Krieg, im Juni 1945, sollte die Familie nach Brunsbüttel zurückkehren und der Gemeinde 1955 erneut den Rücken kehren und nach Hamburg zurückziehen.

Vor den eigentlichen inhaltlichen Ausführungen sollen zum besseren Verständnis nachfolgende Hinweise betont werden. Der bekannte Historiker Henry Friedlander hat darauf hingewiesen, dass jede Gruppe, und selbstverständlich trifft dies auch auf Individuen zu, ein Recht auf Selbstdefinition habe7. Der NS-Staat hat dieses Recht auf Selbstdefinition Einzelnen und Gruppen aberkannt und sie rassistisch kategorisiert und hierarchisiert. Wenn im Folgenden von „Juden“ die Sprache sein wird, so bezieht sich dies nicht auf das Selbstverständnis der Betroffenen, sondern meint die Verfolgtenkategorie.

Der Begriff „Mischehe“ bezeichnete seit 1933 die Ehen, in denen ein Partner nach NS-Definition „jüdisch“ und einer „deutschblütig“ war. Der Begriff „Mischlinge“ entstammt der Rassentheorie und bezeichnete nach der NS-Diktion die Kinder aus der Vermischung verschiedener „Rassen“ und beinhaltet eine negative Konnotation.8

Die antisemitischen Verfolgungswellen gegen „Mischehen“ und „Mischlinge“ lassen sich in drei Phasen einteilen. In der ersten Phase von 1933 bis 1935 wurden die Berufs- und Bildungschancen beschränkt und im Wesentlichen keine Unterschiede zwischen den Verfolgtenkategorien gemacht. Während der nachfolgenden Phase zwischen 1935 und 1938 wurden die Regelungen der ersten Phase verschärft und eine Separierung von „jüdischen“ und „deutschblütigen“ Menschen betrieben.

Ab dieser Phase wurden die „Mischlinge“ bessergestellt. Für die „Mischehen“ begann in der dritten Phase nach den Novemberpogromen 1938 die Zeit der Ausnahmen und zeitlich versetzten Repressionen. Im Dezember 1938 schuf Hitler die Kategorie der „privilegierten Mischehe“. Hierunter fielen die Eheleute Samter, da Franz Samter als „jüdisch“, Dorothea Samter, geborene Groetzner, als „deutschblütig“ galten und die Kinder Walter und Edith „nichtjüdisch“ erzogen waren.

Das „privilegiert“ bedeutet z.B., dass der als „jüdisch“ kategorisierte Ehepartner keinen „Judenstern“ tragen musste9 und das Vermögen auf die „deutschblütige“ Partnerin bzw. die Kinder und somit auf die „Mischlinge“ übertragen werden konnte. Bei jedem Radikalisierungsschub der nachfolgen-den Verfolgungsstufen wurde definiert, ob die damit verbundenen Bestimmungen auch für die „privilegierten Mischehen“ und „Mischlinge“ zu gelten habe. Diese zeitliche Verzögerung rettete viele der jüdischen Ehepartner und „Mischlinge“ vor dem Vernichtungsprozess.

Dabei darf sich aber keiner Illusion über die grundsätzliche Zielsetzung der Einbeziehung dieser Verfolgtenkategorien in den Vernichtungsprozess hingegeben werden und in Hamburg kam es noch am 14.2.1945 zu Deportationen von jüdischen Ehepartnern aus „Mischehen“ 10.11

Als letzter Aspekt soll darauf hingewiesen werden, dass für eine umfassende Analyse des Verfolgungsdrucks nicht nur die Anordnungen der administrativen Ebene betrachtet werden dürfen, sondern Herrschaft als soziale Praxis verstanden werden muss, in deren Gesamtensemble auch die regional Verantwortlichen, die Täter vor Ort, Zuschauer, Gaffer, Profiteure, Sich-Distanzierende, Widerstehende und Sich-Widersetzende einbezogen werden müssten, um die Realität der Verfolgungsprozesse und die sich hierin öffnenden Spielräume sowie seiner Radikalisierungsschübe zu verstehen.12

Dies wird der vorliegende Aufsatz aber aufgrund des begrenzten Raumes nicht explizit leisten, sondern nur andeuten können.

2. Die Jahre bis 1933 Franz Samter ist am 30.12.1881 als Sohn von Julius und Franziska Samter, geb. Jacoby, die beide jüdischen Glaubens waren und ein Manufakturwarengeschäft betrieben, in Wollin/Pommern geboren.13 Er hatte insgesamt sechs Geschwister, von denen drei im Säuglingsalter gestorben sind. Ein Bruder verstarb im Alter von 61 Jahren nach einer Operation. Die jüngeren Brüder Paul (*25.3.1884), dessen Ehefrau Else (*16.6.1892) und ihr Sohn Heinz (*20.2.1922) und Kurt (*10.8.1891), dessen Ehefrau Margarete (*21.4.1903) und ihre Söhne Günter (*6.9.1926) und Wolfgang (*6.5.1928), sind 1943 aus Berlin deportiert worden14. Bis auf Günter und Wolfgang Samter, deren Schicksale noch ungeklärt geblieben sind, kamen alle anderen in Auschwitz um15.

In Wollin besuchte Franz Samter zunächst das Realgymnasium und beendete seine Schullaufbahn nach einem Umzug nach Berlin-Köpenick mit der mittleren Reife. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann war er zunächst als Angestellter und später als Geschäftsführer tätig. 1907 kam Samter nach Brunsbüttelkoog und machte sich bald mit einem Textilgeschäft in der Koogstraße 81 selb-ständig.16 Am 19.11.1909 heiratete er Dorothea Groetzner, die evangelisch-lutherischer Konfession war, in Stade17. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Als ältestes Kind wurde am 23.2.1911 Walter und am 21.4.1920 seine Schwester Edith Samter geboren, deren beider Konfession lutherisch war18.

Das Textilgeschäft entwickelte sich nach 1907 nicht zuletzt durch die Verbreiterung des, wie er damals noch hieß, Kaiser-Wilhelm-Kanals und den Bau größerer Schleusen erfolgreich. 1910 wur-de Samter zudem vertraglicher Lieferant für die Kleiderkasse des Kaiserlichen Kanalamtes, so dass Samter 1913 zwölf Angestellte beschäftigte und er und seine Familie, wie es in den Akten heißt, „bei der Bevölkerung in einem guten Ansehen“19 stand.20

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 wurde auf Initiative Samters eine freiwillige Kriegsfürsorge ins Leben gerufen und zudem mietete er Räume in der Nähe seines Geschäftes an, um dort 16 Lazarettbetten auf eigene Kosten zur Verfügung zu stellen.21 In diesen Jahren war auch Franz Samters jüngster Bruder Kurt bis zu seiner Einberufung im Textilgeschäft beschäftigt. Dies geht aus der Kanal-Zeitung des Jahres 1916 hervor, die berichtete: „Herr Kurt Samter, Bruder des jetzt ebenfalls im Felde befindlichen Kaufmanns Herrn Franz Samter und bis zu seiner Einberufung in dessen Geschäft hierselbst tätig, z.Zt. bei einer Maschinengewehr-Scharfschützentruppe im Osten, hat das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhalten.“22 .Franz Samter war 1915 bis 1918 Soldat und er-krankte 1917 schwer an der bakteriellen Ruhr, die ihn drei Monate in Lazaretten in Byalistok und Minsk fesselten und zu wiederholten Rückfällen geführt haben. Zudem litt Samter seit 1918 an einer Stirnhöhlenvereiterung, die er aufgrund der Kriegsumstände verschleppte und die dazu führ-te, dass die linke Stirnhöhle seit 1920 zweimal aufgemeisselt werden musste.23

Zwischen 1920 und 1933 war Samter u.a. Vorsitzender des Vereins für Handel, Gewerbe und In-dustrie, Mitglied der Gemeindevertretung, der Industrie- und Handelskammer Altona und in dessen Fachausschuss für Einzelhandel tätig.24

„1933 begann (…) der Leidensweg“ 25 - Die Jahre 1933 - 1938 3.1 Der Aprilboykott 1933

Bereits seit Februar 1933 war es neben der Verfolgung der Arbeiterbewegung auch zu antisemitischen Maßnahmen im Zuge der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933, der sogenannten Reichstagsbrandverordnung, gekommen, durch die wichtige Bürgerrechte der Weimarer Reichsverfassung außer Kraft gesetzt wurden. Auch die Ausschreitungen gegen Juden wurden in der internationalen Presse aufgegriffen und verurteilt. Dies führte jedoch zu einer verstärkten Verfolgungswut und einer Geiselaktion, die ausdrücklich von Hitler gebilligt wurde und von Julius Streicher, dem Herausgeber des antisemitischen Hetz-blattes „Der Stürmer“, und Joseph Goebbels organisiert wurde. Joseph Goebbels schrieb dazu: „Wir werden gegen die Auslandslüge nur ankommen, wenn wir ihre Urheber oder doch wenigstens Nutznießer, nämlich die in Deutschland lebenden Juden, die bisher unbehelligt blieben, zu packen bekommen. Wir müssen also zu einem großangelegten Boykott aller jüdischen Geschäfte in Deutschland schreiten. Vielleicht werden sich dann die ausländischen Juden eines Besseren be-sinnen, wenn es ihren Rassegenossen in Deutschland an den Kragen geht.“26

Ein Boykottaufruf, der in den Zeitungen des Deutschen Reiches aufgegriffen wurde, befahl in aller Öffentlichkeit die Aktion. Die Ausführung oblag einem „Zentralkomitee zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze“.27 Dieses „Zentralkomitee“ organisierte und delegierte das weitere Vor-gehen auf Gau-, Kreis- und Ortsebene. Die „Marner Zeitung“ vom 31.3.1933 schreibt u.a. unter der Überschrift „Die Durchführung des Boykotts“: „(…) Die Aktionskomitees (deren Mitglieder keinerlei Bindung mit Juden haben dürfen) stellen sofort fest, welche Geschäfte, Warenhäuser, Kanzleien usw. sich in Judenhänden befinden. Es handelt sich bei dieser Feststellung selbstverständlich um Geschäfte, die sich in den Händen von Angehörigen der jüdischen Rasse befinden. Die Religion spielt keine Rolle. Katholisch oder protestantisch getaufte Geschäftsleute oder Dissidenten jüdischer Rassen sind im Sinne dieser Anordnung ebenfalls Juden. (…) Die Aktionskomitees übergeben das Verzeichnis der festgestellten jüdischen Geschäfte der SA und SS, damit diese am Sonnabend, den 1. April 1933, vormittags pünktlich 10 Uhr die Wachen aufstellen können (…).“28 Am 3.4.1933 vermeldet die „Marner Zeitung“ unter der Rubrik „Provinz und Nachbargebiete“ Vollzug: „Brunsbüttelkoog. Zur Boykottbewegung. Auch hier, wie an allen Stellen des Deutschen Reiches, wurde die Boykottbewegung gegen die Greuelpropaganda des Auslandes durchgeführt. Vor einem jüdischen Geschäft in der Koogstraße standen SA-Posten. Die ganze Aktion verlief vollkommen ruhig.“29

Im Gegensatz zu dieser Pressemitteilung berichtet Franz Samter im Einklang mit der Mitteilung vom 31.3.1933, dass „ (…) sich S.S. und S.A. (Unterstreichung im Original) Leute vor meiner Hausfront, vor dem und in dem Eingang zu meinem Laden“ aufbauten und „hinderten die Kund-schaft am Betreten meines Geschäftes und beschimpften die Kunden als ´Judenknechte` und ähnlichem (…).“ Und Franz Samter fährt mit seinen Schilderungen fort, in denen die Bandbreite der Handlungsoptionen seiner Mitbürger und die Enttäuschung über die nachsichtige Entnazifizierung nach 1945 deutlich wurden: „Von diesem Tage an wurde der offene Boykott in verschärfter Form gegen mich geführt. Nicht nur vor meinem Geschäft wurden Kunden (…) belästigt und bedroht, sondern auch von meinen ´edlen` Nachbarn bespitzelt und bei der Partei denunziert. Kunden, wel-che sich nicht bange machen ließen, wurden bei Verlassen meines Geschäftes photographiert, ihnen auf Fahrrädern nachgefahren, zur Rede gestellt, oft bedroht, auch in ihrer Wohnung aufge-sucht und ihnen gesagt, sie müßten aus der Arbeit, wenn sie beim Juden kaufen. Mit soviel Fleiß, mit soviel Ausdauer, mit soviel Gemeinheit und Fanatismus ist wohl im deutschen Vaterlande seit dem Mittelalter von solchen Hunnen noch nie gearbeitet worden, als von den Nazis 1933-1945. Unsere Entnazifizierungsausschüsse könnten sich bei ihren Urteilen eine Scheibe hiervon ab-schneiden! (…)“30

Der Boykott war der Beginn der Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben. Bis 1935 wur-den bereits 25% der jüdischen Unternehmen aufgelöst oder „arisiert“ und somit in das Eigentum von „Deutschblütigen“ überführt.31

3.2 Weitere Boykott- und Verfolgungsmaßnahmen 1933/34

Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurde neben der Ausschaltung politisch Oppositioneller auch ein „Arierparagraph“ eingeführt, der den Aus-schluss von Juden aus dem Staatsdienst ermöglichte. Zwar schränkte die Intervention des greisen Reichspräsidenten Hindenburg zugunsten ehemaliger Frontkämpfer den Wirkungskreis zunächst auf den höheren Dienst ein, jedoch sollten in den nachfolgenden Monaten diese Ausnahmen beseitigt werden und auch andere Organisationen und Vereine übernahmen „Arierparagraphen“ in ihre Satzungen.32 Am 22. August 1933 erging in zahlreichen Orten zudem ein „Badeverbot für Ju-den“ in öffentlichen Bädern.33

Diese und weitere niederschmetternden Verfolgungs- und Boykotter-fahrungen spiegeln sich auch in folgender Schilderung Samters wider: „(…) Mein Sohn, welcher Mischling 1. Grades ist und ich wurden aus Vereinen ausgeschlossen; wo noch Männer am Ruder waren, welche nicht gleich mit den Nazis heulten, legte man uns nahe, auszutreten. Kein Friseur durfte mich und meinen Sohn mehr bedienen. Handwerker lehnten es ab für mich zu arbeiten, (…) mir und meiner Familie war es verboten Kinos, Gaststätten, Badeanstalten usw. zu besuchen. (…) Zeitungen und Zeitschriften bekam ich nicht, teils wurde das Abonnement stillschweigend nicht erneuert, teils weigerten sich die Boten, mir dieselben zuzustellen (…). (…) ein Lehrer der hiesigen Mittelschule verbot es den Mitschülerinnen mit meiner Tochter (Mischling 1. Grades) zu verkehren, sie wurde in der Schule abgesondert, mußte auf dem Schulhof in den Pausen in einer Ecke ste-hen, die andern Mädchen durften sich mit ihr nicht unterhalten. (…)“34


Auch die wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen wurden im Laufe des Jahres 1933 fortgesetzt. So geht aus einem ersten Schreiben vom 22.6.1933 des Hugo H. von der Brunsbüttelkooger Zeitung, wie die Kanal-Zeitung seit 1921 hieß, an Franz Samter hervor, dass die Aufnahme von Anzeigen jüdischer Geschäfte unerwünscht waren und in einem weiteren Schreiben an Samter vom 15.2.1935 wurde ihm endgültig mit „Dank für Ihre bisherige langjährige Kundschaft“35 mitgeteilt, dass seine Inserate nicht mehr angenommen werden. Und der Brunsbütteler Oberpostsekretär Johannes H. teilte am 27.6.1933 schriftlich mit, dass auf Intervention der Brunsbütteler BDM-Vorsitzenden die Reklameschilder Samters in den Räumen der Postämter auf der Nord- und Südseite zu entfernen waren.36


In der Hoffnung auf Reste eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens und in der Verkennung des Charakters des NS-Staates richtete Samter am 19.9.1933 ein Einschreiben an den Brunsbüttelkooger Ortsgruppenleiter Wilhelm Gherardini, in dem er betont, dass obwohl „(…) der Boykott jüdischer Firmen mit Ablauf des 1. April amtlich beendet worden ist (…)“, es dennoch zu offenen und „unsichtbaren Kontrollen“ durch NSDAP-Angehörige gekommen war, „um Kunden festzustellen, welche bei mir kaufen (…)“ und bat „meine Beschwerde zu prüfen und den Boykott gegen mein Geschäft zu unterbinden.“37 Auch aus weiteren Eingaben Samters an den Landrat Dr. Ernst Kracht und den Brunsbüttelkooger Bürgermeister Dr. Heinrich Timm aus dem Jahr 1933 „gegen die Nichtzulassung zur Entgegennahme von Bedarfsdeckungsscheinen der Ehestandsdarlehen“ geht Samters vergebliche Hoffnung auf rechtsstaatliche Reste hervor.38 Sie wurden allesamt abgelehnt.


Auch das Jahr 1934 war von Boykott- und Verfolgungsmaßnahmen geprägt. So geht aus einem Schreiben vom 22.9.1934 des „Reichsbundes des Textileinzelhandels“ hervor, dass auf Einwirken der Brunsbütteler Ortsgruppe Samter aus der Gemeinschaftswerbung des Reichsbundes ausgeschlossen wurde.39 Dies nahm er zum Anlass, sich mit einem Beschwerdeschreiben an das Reichswirtschaftsministerium zu wenden, worin er auf das erwähnte Schreiben hinwies und an-merkte, dass die Ortsgruppe die Boykottmaßnahmen vom April 1933 „im Geheimen gegen mich fortgesetzt“ habe, obwohl das Wirtschaftsministerium öffentlich betont habe, „daß es in der Wirtschaft keine Arierfrage gibt und Einwirkungen politischer Dienststellen auf die Wirtschaft unterbleiben sollten.“40 Zudem verwies er auf die Richtlinien des Reichsbundes, nach denen sich „auch die fachlich geeigneten jüdischen Firmen an der Gemeinschaftswerbung beteiligen“ durften, „voraus-gesetzt ihr bisheriges Geschäftsgebaren gibt zu Beanstandungen keine Veranlassung.“41 Nach diesem Hinweis betonte Samter, sicherlich auch unter Bezugnahme auf seine freiwillige Kriegsfürsorge während des Ersten Weltkrieges und seines Dienstes als Soldat im Ersten Weltkrieg, dass er in der Lage sei, „Beweise zu erbringen, daß ich zu jeder Zeit meine volle Pflicht für Volk und Vaterland getan habe“, und er fuhr mit der Feststellung fort: „Ich brauch mich in nationaler und sozialer Hinsicht hinter niemand zu verstecken.“42 Samter endete mit folgenden Worten, die noch einmal verdeutlichen, dass er den antisemitischen Charakter des NS-Staates und die sich daraus ergebene Bedrohung verkannte: „Meine Beschwerde bitte ich zu prüfen und veranlassen zu wollen, daß mir wirtschaftlich die tatsächliche Gleichberechtigung mit meinen christlichen Kollegen von keiner Seite strittig gemacht wird.“43

Da solche Beschwerdeschreiben nicht vertraulich behandelt wurden und Samter sich in den nächsten Wochen auch noch an andere nichtstaatliche und staatliche Stellen, wie z.B. den Landrat wandte44, ist es naheliegend davon auszugehen, dass die beteiligten lokalen und regionalen Ak-teure von dem Schreiben unterrichtet wurden und deren Repressionsbereitschaft steigerte, wie es anhand der vorliegenden Aktenlage auch nachgezeichnet werden kann. Auch ein Antwortschrei-ben des „Wirtschaftlichen Auskunftsdienstes“ des „Rudolf Lorenz Verlages“ vom 26.11.1934 auf ein Schreiben Samters mit der Bitte um Auskunft, ob ein Zivilprozess in der dargestellten Angelegenheit sinnvoll sei, spiegelt dies wider. In dem Antwortschreiben hieß es: „(…) Immerhin bitten wir aber zu bedenken, daß für den Fall, daß Sie sich auf dem Zivilprozeßwege gegen die Amtswalter wenden, zu befürchten steht, daß Ihnen von der Partei weitere und noch größere Schwierigkeiten gemacht werden. Wir halten einen derartigen Schritt also im Endeffekt für wenig aussichtsreich (…). Wir können Ihnen daher nicht empfehlen, im Wege des Zivilprozesses gegen die Amtswalter vorzugehen (…).“44

Trotz der ablehnenden Bescheide, so denn überhaupt auf Samters Einwendungen geantwortet wurde, und Ratschläge wie dem des Auskunftsdienstes, hatte Franz Samter seinen Glauben an den Normenstaat offensichtlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht verloren und wandte sich am 26.11.1934 sogar an den „Herrn Gemeindevorsteher Dr. Timm“ und beschwerte sich über die an-haltenden Boykottfälle, in denen auch „der stellvertretende Gemeindevorsteher Herr Carl Frauen“45 beteiligt war. Samters zu diesem Zeitpunkt noch unerschütterlicher Glaube, dass ihm Unrecht widerfahre und staatliche Stellen bestrebt sein müssten Abhilfe zu schaffen, scheint bei den lokalen Verfolgungsakteuren einen regelrechten bisher unerreichten Furor hervorgerufen zu haben, der zu folgendem Hilferuf Samters an das Reichswirtschaftsministeriums vom 30.11.1934 um 21.30 Uhr führte: „(…) Jüdischer Geschäftsinhaber bittet dringend um Abhilfe überhandnehmenden Boykotts durch Terrorgruppe drei bis vier Mann: Führer Max Willnat, Kontrolle ein- und ausgehender Kun-den, Belästigung, Verhöhnung, Bedrohung der Kundschaft, Ankleben des Stürmers und Zeitungs-ausschnitten an Bäumen vor dem Geschäftshaus. Was kann ich unternehmen? Konfektionshaus Franz Samter.“46 Auch auf diesen Hilferuf ist keine Antwort überliefert.

In diesen Zusammenhängen ist Franz Samters erste Verhaftung noch hervorzuheben, die am 1.11.1934 erfolgte und auf Veranlassung des Ortsgruppenleiters Wilhelm Gherardini und des stell-vertretenden Gemeindevorstehers Carl Frauen stattfand. Die Inhaftierung erfolgte im Brunsbütteler Gefängnis. Der Haftgrund war, dass Samter nach 20 Uhr ein Paket mit einem Herrenanzug an eine Kundin aushändigte und dies vom SS-Mann Max Willnat beobachtet worden war. Walter Samter, Franz Samters Sohn, fuhr am nächsten Tag nach Altona und sprach bei der dortigen Feldpolizei vor, da er in Brunsbüttel vom Bürgermeister Dr. Timm keine Unterstützung erfahren hatte. Nach der Intervention der Feldpolizei wurde Franz Samter am 2.11.1934 abends aus dem Gefängnis entlassen. In einem nachfolgenden Prozess musste Samter 50 Reichsmark wegen Übertretung der Ladenschlusszeiten und 30 Reichsmark wegen Beleidigung des SS-Mannes Will-nat entrichten.47

3.3 Boykott- und Verfolgungsmaßnahmen 1935

Im Jahr 1935 verschärften sich die antisemitischen Maßnahmen. Eine vollständige Wiedergabe der einzelnen Aspekte sind aus Platzgründen nicht zu leisten. Die nachfolgenden Darstellungen sind nur Beispiele.

Am 12.2.1935 wurde den Juden das Hissen von Hakenkreuz- und der schwarz-weiß-roten Reichsflagge verboten.48 Der Amtsvorsteher bzw. Bürgermeister als Ortspolizeibehörde richtete sich im April des Jahres mit einem Schreiben an Franz Samter. Hierin forderte Dr. Timm Samter auf, die schwarz-weiß-rote Flagge an seinem Gebäude zum 1. Mai nicht mehr zu hissen, u.a. mit der Begründung, dass „die wiederholten Vorfälle mit Ihnen große Unzufriedenheiten in der Bevölkerung Brunsbüttelkoogs hervorgerufen haben.“49

Am 11.4.1935 erneuerte Rudolf Heß die Anordnung, dass NSDAP-Mitglieder keinen persönlichen Verkehr mit Juden pflegen dürften und dass der Einkauf in jüdischen Geschäften verboten sei. Zudem kam es im Zeitraum vom Mai bis August 1935 zu verstärkten Boykottaufrufen gegen Ju-den. Alle Kommunalbehörden und Parteiorganisationen sollten den Wirtschaftsboykott als „nationale Aufgabe“ verfolgen. Zudem wurden Juden der Besuch von Kinos, Erholungsanlagen und Kurorten verboten.50 Diese Sachverhalte spiegeln sich auch in den überlieferten Aktenbeständen wider. So richtete der Ortsgruppenleiter Wilhelm Gherardini am 5.7.1935 ein Schreiben an den NSDAP-Anwärter Adolf M., der beobachtet worden war, wie er „am 4. Juli in dem jüdischen Geschäft Franz Samter gekauft“51 habe. Als Konsequenz wurde M. mit nachfolgender Begründung als NSDAP-Anwärter gestrichen: „(…) Wir hätten gerade von Ihnen etwas mehr Disziplin in Bezug auf die Juden erwartet, da Sie doch jederzeit als guter Nationalsozialist gelten wollen, und bei der ersten Kleinigkeit schon umfallen (…).“52 Und ebenfalls am 5.7.1935 richtete sich der stellvertretende Gemeindevorsteher Carl Frauen in der Funktion als „Ortswalter“ der „Deutschen Arbeits-front“ (DAF) an den „Volksgenossen“ Adolf M. und enthob ihn des „Ehrenamtes als Blockwalter der DAF“. Als Begründung führt Frauen u.a. folgende Aspekte an: „Ich mußte leider feststellen, daß Du Dich mit den Zielen der NSDAP und der DAF noch nicht beschäftigst hast, sonst kann es nicht angehen, daß Du Dich noch mit Juden abgibst.“ Und er fuhr mit der Unterstellung fort: „(…) Der Sohn des Juden Samter fährt zu seinem Vergnügen nach Italien und verbraucht dort deutsches Geld. Dieses Geld wird ihm von deutschen Arbeitern gebracht, die in einem Betrieb arbeiten wie es die Kali-Chemie ist (…).“53

Der Werksdirektor dieser Kali-Chemie in Brunsbüttel Dr. Karl Euler - und es fällt schwer in dieser nahen zeitlichen Abfolge einen Zufall zu sehen - richtete sich am 9.7.1935, also nur wenige Tage nach dem oben zitierten Brief, in einer Betriebsversammlung an die Belegschaft und betonte: „Wer beim Juden Samter kauft, wird fristlos entlassen.“54 In dieser Versammlung habe auch der Elektriker Fritz E. gegen Samter polemisiert und dieser selbst be-schreibt die Folgen dieser Betriebsversammlung wie folgt: „(…) Bis auf ein Häuflein Getreuer und Unbeugsamer blieb die Kundschaft total fort. Nicht nur die Arbeiter der Kali-Chemie, auch aus an-deren Betrieben, auch Beamte, Lotsen, Rentner, Bauern.“55

Um diesen, wie es Samter nannte, „Wirtschaftsmord gegen den Juden“ zu überwachen, wurden verstärkt Patrouillen geführt. Um sich gegen diese zu wehren, wandte er sich erneut in Verken-nung deren antisemitischen Charakters an staatliche Stellen, wie dem Landrat, um Abhilfe zu bit-ten. Sogar an die örtlichen Dienststellen wandte sich Samter, trotz der dezidiert negativen Erfah-rungen, erneut. So sprach er am 29.7.1935, da Bürgermeister Dr. Timm erkrankt war, bei seinem Stellvertreter Carl Frauen vor, der Samter beschied, dass Paul W. „als politischer Leiter das Recht zustände, die Bevölkerung über Rassenfragen aufzuklären.“56

Evident wird Samters Fehleinschätzung auch durch ein Beschwerdeschreiben an das Reichspostministerium von Anfang Oktober 1935, in dem er sich beklagt, dass das Brunsbütteler Postamt Nord mit dem Verweis, dass sich die Bevölkerung durch Samters Reklame belästigt fühle, 830 Postwurfsendungen abgelehnt habe. Samter widerspricht der Einschätzung des örtlichen Postamtes, indem er schreibt: „(…) Ich glaube nicht, daß sich die Empfänger belästigt fühlen, weil die Reklame von mir kommt. Es könnte sich in diesem Falle um einen kleinen Bruchteil handeln, der mit 10 von Hundert noch zu hoch veranschlagt sein dürfte (….).“ Und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass „(…) eine Ablehnung, weil ich Jude bin, (…) wohl vom Reichspostministerium als nicht ge-wollt“57 anzunehmen sei. Hier trog zum wiederholten Male die Hoffnung, wie die Antwort des Reichspostministeriums zeigte: „(…) Die Ansicht, daß höchstens 10 vH der Bevölkerung sich durch den Empfang dieser Sendungen belästigt fühlen, ist irrig. Es steht vielmehr fest, daß der größte Teil der Bevölkerung von Brunsbüttelkoog und Umgegend Ihre Postwurfsendungen als un-erwünscht betrachtet (…).“58

Das Jahr 1935 endete mit den „Nürnberger Gesetzen“, die die Entrechtung der Juden in Deutsch-land als Bürger zweiter Klasse zementierten. Durch das „Blutschutzgesetz“ wurden Eheschließungen zwischen Nichtjuden und Juden verboten und deren Geschlechtsverkehr als „Rassenschande“ unter Strafe gestellt. Nach langem Streit zwischen Parteivertretern und der Ministerialbürokratie wurde am 14.11.1935 die 1. Durchführungsverordnung zum „Reichsbürgergesetz“ erlassen, die in den Folgejahren weiter verschärft werden sollte. Hierin wurde festgelegt, dass Juden keine „Reichsbürger“ sein, kein politisches Stimmrecht haben und kein öffentliches Amt ausführen konnten. „Mischlinge 1. Grades“, sofern sie nicht jüdischen Glaubens oder mit Juden verheiratet waren, wurden zunächst von diesen Bestimmungen ausgenommen.59 Im April 1937 wurde die Ordensburg Vogelsang eingeweiht, die der NSDAP als Schulungsort des Nachwuchses der NSDAP-Führungskader diente. Zur Eröffnung waren alle NSDAP-Kreisleiter des Reiches geladen worden und auch der bereits erwähnte Süderdithmarscher Kreisleiter Martin Matthiessen war in die Eifel gefahren, wie aus seiner durchweg apologetischen Autobiographie zu entnehmen ist: „So reisten alle Kreisleiter nach dem Westen, um wieder einmal die Ziele der Partei aus berufenem Munde zu hören.“ Im direkten Anschluss berichtet Matthiessen von Ausflügen in die Umgebung und schließt mit den Worten: „Im ganzen gesehen waren diese Tage eine Erho-lung.“60 Über die dort gehaltenen Vorträge schweigt sich Matthiessen wohlweislich aus. Am 29.4.1937 erläuterte Hitler hier vor den versammelten Kreisleitern des Reiches seine Taktik gegen die deutschen Juden: „Ich will nicht gleich einen Gegner mit Gewalt zum Kampf fordern, ich sage nicht: ´Kampf!`, weil ich kämpfen will, sondern ich sage: ´Ich will dich vernichten! Und jetzt, Klugheit, hilf mir, dich so in die Ecke hineinmanövrieren, daß du zu keinem Stoß kommst, und dann kriegst du den Stoß ins Herz hinein.` Das ist es!“61 Damit war eine neue Eskalationsstufe vorbereitet, die sich im Jahr 1938 Bahn brechen sollte.

3.4 „Die Katastrophe vor der Katastrophe“62 - Das Jahr 1938

Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich im März 1938 und des nachfolgenden „Anschlusses“ an das Deutsche Reich kam es dort zu schweren Ausschreitungen gegen österreichische Juden. Waren auf dem Gebiet des Deutschen Reiches von ca. 50 000 jüdischen Geschäften des Jahres 1933 bis zum Juli 1938 ca. 41 000 „arisiert“, so steigerte der ungehemmte Bereicherungsfeldzug der Nationalsozialisten in Österreich noch einmal die materielle Gier im Deutschen Reich auf jüdisches Vermögen und forcierte die Verfolgungsmaßnahmen nicht zuletzt im Zusammenhang mit den deutschen Kriegsvorbereitungen, da die Juden als „natürliche“ Gegner angesehen wurden.63 Das Jahr 1938 steht somit für eine Zäsur in der Gewalt gegen Juden, für den Über-gang von der Diskriminierung und Entrechtung zur systematischen Verfolgung, Beraubung und Vertreibung und wurde von Dan Diner zuerst treffend als „die Katastrophe vor der Katastrophe“, also der Shoa, beschrieben.64 Auf die einzelnen administrativen Verfolgungsschritte soll im Folgenden aus Platzmangel nicht eingegangen werden, sondern Im Vordergrund soll auch in diesem Kapitel der Leidensweg der Familie Samter stehen.

Wichtig für das weitere Verständnis ist es, zu betonen, dass die im Frühjahr begonnen antisemitischen Ausschreitungen in Österreich auf das Deutsche Reich übergriffen und es auch hier reichs-weit zu „entfesseltem Volkszorn“ gegenüber Juden kam, den die Nationalsozialisten nutzten, um antisemitsiche Maßnahmen zu forcieren. So wurde u.a. die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ im Juni 1938, die sich ursprünglich allein gegen sogenannte „Asoziale“ richten sollte, auf Befehl Hitlers auf Juden ausgeweitet, so dass jede Kriminalpolizeistelle eine gewisse Anzahl von „Asozialen“ und vorbestraften Juden in „Vorbeugehaft“ in Konzentrationslager zu nehmen hatte.65 Hinzutrat die seit dem Sommer 1938 vom Regime verschärfte „Sudetenkrise“, die mit einer zunehmenden Kriegs-angst in der Bevölkerung korrespondierte, die gegen Juden als Sündenböcke kanalisiert wurde.

Die Ereignisse, die schließlich in die Novemberpogrome münden sollten, sind nur vor der explosiven Stimmung des gesamten Jahres 1938, die Europa an den Rand eines neuen Krieges führten, zu verstehen. Und Michael Wildt hält fest: „In einer fatalen Umkehrung in der Suche nach den Verantwortlichen für die Kriegsdrohung von den eigentlichen Kriegstreibern auf die Juden, die an dem Geschehen gänzlich unschuldig waren, konnte sich die Anspannung entladen, ohne dass die NS-Führung vor allem Hitler, als der wahre Schuldige angeklagt werden musste. Dass diese Verdrehung der Tatsachen für viele so eingängig war, zeigt die Bereitwilligkeit, antisemitische Begrün-dungen zu akzeptieren und lieber Unschuldige leiden zu sehen oder leiden zu lassen, als die eigene Weltsicht in Frage zu stellen.“66


Dieser dargestellte Hintergrund findet auch seinen Niederschlag in Brunsbüttel in den vorhandenen Akten zu Franz Samter. In der Nacht vom 11. auf den 12. August 1938 wurde die Front seines Geschäftsgebäudes bis zum Gesims des 1. Stockes, die Schaufensterscheiben und die halbe Straßenbreite mit roter Schiffsfarbe und Symbolen wie einem Sowjetstern und Pfeilen beschmiert. Das vorhandene Firmenschild wurde übermalt und mit „Jude“ beschrieben. Samter stellte schriftlich am 12. August bei der Polizeibehörde einen Strafantrag. Am 13. August erhielt er die schriftliche Antwort durch den stellvertretenden Ortsvorsteher Carl Frauen, der sich auf die Baupolizeiverordnung und das Polizeiverwaltungsgesetz berief, dass Franz Samter aufgefordert sei, bis zum nächsten Tag, den 14. August bis 8 Uhr, die Bemalungen zu entfernen, da eine „Verunstaltung des Ortsbildes“ vorliege. Sollte Samter dieser Aufforderung nicht nachkommen, so erfolge die Beseitigung auf Polizeiwegen auf Samters Kosten. In den nachfolgenden Tagen ließ Samter schließlich die Schmierereien beseitigen und beschwerte sich erneut vergebens bei dem Landrat.67 In der Verfolgungsschilderung im Zusammenhang mit dem Bundesentschädigungsgesetz aus dem Jahr 1954 kommt er aufgrund der Augustereignisse zur nachfolgenden Einschätzung und leitet zur nächsten Verfolgungsmaßnahme des Oktobers über: „(…) Das war ein neuer tödlicher Anschlag gegen meine Existenz - aber ich gab noch schwache Lebenszeichen von mir. Da wurde das Finanzamt Meldorf mobil gemacht. Am 10. Oktober 1938 und die folgenden Tage fand eine Buchprüfung und Lagerdurchschnüffelung statt und ein Rollkommando mit einem Landjäger unternahm eine Haussuchung. Das Haus wurde vom Boden bis zum Keller durchsucht - kein Stück blieb auf dem anderen, kein Winkel wurde verschont, kein Buch blieb undurchblättert - aber gefunden wurde nichts. (…)“68


Als nächstes sind die Ereignisse im Zusammenhang mit den Novemberpogromen69 in der Nacht vom 9. auf den 10.11.1938 aktenkundig. In den eigenen Worten Samters, denen ich hier Raum geben möchte, widerfuhr ihm und seinem Sohn folgendes: „(…) Am 9. November70 1938, der totale Krieg gegen alle in Deutschland lebenden Juden! An diesem Tage wurde bei mir schon morgens durch einen Polizisten eine Haussuchung im Geschäft und in der Wohnung durchgeführt. Gegen 14 Uhr erschienen in meinem Laden sechs SS und SA Leute aus Brunsbüttel (Ort), unter Führung des Sturmführer Schade71, um mich und meinen Sohn zu verhaften. Durch einen Haftbefehl konnten sie sich nicht ausweisen. Es wurde mir nicht erlaubt meine Frau, welche in der im 1. Stock gelegenen Wohnung war, zu benachrichtigen, daß wir abgeholt werden. Deshalb weigerte ich mich mitzugehen.

Darauf entsicherte Schade seine Pistole. Als ich ihm erklärte, ich müßte erst noch meine Umsatzsteuererklärung für Oktober machen, stand Schade mit gezogener Pistole hin-ter mir. Mein Sohn und ich wurden unter Staunen und Erregung der Bevölkerung nach dem Rat-haus transportiert, zunächst im Keller desselben, und später in ungeheizte eiskalte Einzelzellen eingesperrt. An der Kellertreppe angelangt, ereignete sich ein dramatischer Zwischenfall. Die Nazischurken hätten unter der erregten arischen Bevölkerung ein Blutbad von ungeahntem Ausmaß anrichten können. Mein Sohn, der nicht verhaftet werden durfte72, wollte seine Mutter, welche einen Nervenzusammenbruch hatte, nicht dem Schicksal allein überlassen. Er protestierte gegen seine Verhaftung. Darauf wurde er von den Naziverbrechern mit Füßen getreten und die Kellertreppe hinunter gestoßen. Diese Misshandlung veranlaßten meinen Sohn sich loszureißen und auszurücken. Das Nazipack verfolgte ihn und schoß auf offener Straße hinter ihm her. Mein Sohn ließ sich dann abführen, wurde 4 Tage im hiesigen Gefängnis festgehalten und dann entlassen.


Ich wurde am 10. November 38 an die Gestapo in Itzehoe unter polizeilicher Bewachung ausgeliefert, am selben Abend mit einem Itzehoer jüdischen Kaufmann durch die Gestapo nach Altona transportiert und in der Nacht mit einem Transport, durch schwer bewaffnete SS bewacht, nach dem K.Z. Sachsenhausen gebracht. Dort angekommen wurden wir mit Kolbenschlägen aus dem Wagen getrieben. Daß auf dem „Marsch-Marsch“ zum Lager eine Anzahl Juden an „Herzschlag“ starben und die Leichen wie krepierte Hunde auf einen Lkw. geworfen wurden, daß die Juden nach Ankunft im Lager etwa 72 Stunden, teils stundenlang in Kniebeuge, bei Regen und Kälte, ohne Essen und Trinken im Freien stehen mußten, sei nur am Rande bemerkt. Ich hatte Glück am 24. Dezember73 38 aus dem K.Z. entlassen zu werden, gebrochen an Leib und Seele!“74

Im Zusammenhang mit einem medizinischen Gutachten nach dem Zweiten Weltkrieg schilderte Samter die „Schutzhaft“ in Sachsenhausen noch ergänzend. Die internierten Juden wurden nach der 72stündigen Tortour zu 360 Mann in einer für etwa 70 Mann berechneten Baracke untergebracht. Hier mussten sie auf Stroh schlafen. Bei völlig unzureichender Ernährung mussten sie Steine schleppen und Baumstümpfe roden. Neben der Arbeit wurden die Häftlinge bis zur Erschöpfung mit Exerzierübungen traktiert. Samter wurden in dieser Zeit einige Vorderzähne durch Faustschläge ausgeschlagen und er wurde mit Fußtritten drangsaliert. Einmal erhielt er einen schweren Schlag mit einem Holzscheit gegen den Kopf, so dass er sein Bewusstsein verlor und nach ein paar Stunden von Mithäftlingen aufgefunden wurde.

Da es verboten war, während der Arbeit zum Wasserlassen zu gehen und sonst Misshandlungen drohten, war Samter gezwungen, dies zu unterdrücken. Nach der KZ-Haft litt Samter unter einer Blasenkrankheit, fing an zu stottern, vermutlich eine posttraumatische Belastungsstörung, und die Wunde durch den Schlag mit dem Holzscheit sollte nie richtig wieder verheilen, so dass die Wunde bis zu seinem Lebensende immer wieder aufbrach. Wie üblich, musste auch Samter sich schriftlich vor der Entlassung aus dem KZ-Sachsenhausen dazu verpflichten, über die Erlebnisse Stillschweigen zu bewahren.75

Bereits seit Juli 1938 versuchte die Familie Samter der „Arisierung“ des Geschäftes zu entgehen, indem Sohn Walter als „Mischling 1. Grades“ die Geschäftsübernahme zu beantragen versuchte, was zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre. In dieser Angelegenheit wandte sich Walter Samter über den Landrat an den Regierungspräsidenten. Der Landrat forderte sodann bei der NSDAP-Ortsgruppe Brunsbüttel eine Auskunft über die „politische Zuverlässigkeit“ Walter Samters an. Diese betonte, dass eine Übertragung auf Walter Samter nicht befürwortet werde, da „(…) durch die Übertragung des Gewerbebetriebes an seinen Sohn, der jüdischer Mischling 1. Grades ist, der Gewerbebetrieb nur äusserlich eine Änderung erfährt insofern, als das Geschäft dann als arisch gilt. In dem inneren Wesen des Gewerbebetriebes wird dagegen keine Änderung zu erwarten sein. (…)“76 Demzufolge, wurde der Antrag mit Bescheid an Walter Samter vom 28. November 1938 vom Landrat abgelehnt.77 Durch die Verfügungen des Regierungspräsidenten vom 13. und 17. Dezember 1938 wurde der Familie Samter unter Bezugnahme auf die „Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938 aufgegeben, das Geschäft und den Grundbesitz bis zum 15.1.1939 bzw. 1.2.1939 zu „arisieren“. Um die „Arisierung“ zu gewährleisten, wurde ein Treuhänder eingesetzt, der das Eigentum der Familie in der Folgezeit veräußerte, ohne dass die Familie eine Reichsmark erhalten sollte.78

Durch den massiven Druck, der auch durch den Kreisleiter mit seiner Maßgabe „Der Kreis muß judenrein werden“79 noch erhöht wurde, zog die Familie Samter schließlich am 27.2.1939 nach Hamburg.80

Dorothea Samter, die Ehefrau Franz Samters, geb. Groetzner, überlebte den Krieg und starb mit 77 Jahren am 8.11.1966 in Hamburg. Edith Michaelsen, geb. Samter, die Tochter von Dorothea und Franz Samter, überlebte den Krieg und starb mit 49 Jahren am 4.10.1969 in Hohenstaufen. Franz Samter überlebte den Krieg und starb mit 88 Jahren am 21.3.1970 in Hamburg.

Walter Samter, der Sohn von Dorothea und Franz Samter, überlebte den Krieg und starb mit 76 Jahren am 13.10.1987 in Hamburg.81

Fußnoten

1 Diese Aussage ließ der Kreisleiter Martin Matthiessen gegenüber Franz Samter verlautbaren. Vgl. Teilbescheid im Entschädigungsverfahren Franz Samter vom 25.10.1954; Landesarchiv Schleswig (LAS) Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 6.

2 Franz Samters Schreiben an den Kreissonderhilfsausschuss in Meldorf vom 19. Juni 1949, hier S. 3f.; LAS Abt. 761 Nr. 11500.

3 https://www.songtexte.com/songtext/andre-heller/leon-wolke-3f31d13.html

4 Vgl.: https://www.dithmarschen-wiki.de/Läden_im_Koog-Koogstraße_81-84#Fotos_Koogstra.C3.9Fe_81, https://www.dithmarschen-wiki.de/Brunsbüttel#Verfolgte_Brunsb.C3.BCtteler

5 Dan Diner: Die Katastrophe vor der Katastrophe. Auswanderung ohne Einwanderung. In: Dirk Blasius & Dan Diner (Hg.): Zerbrochene Geschichte. Leben und Selbstverständnis der Juden in Deutschland. Frankfurt a.M. 1991, S. 138-160.

6 „Auf Befehl des Kreisleiter mußte der Kreis judenrein werden. Meine Familie und ich waren sich in Brunsbüttelkoog des Lebens nicht mehr sicher. Das Gefühl einem Nazimord zu erliegen, befiel uns in der letzten Zeit vor der v. Rath-Affäre fast jede Nacht.“ Schreiben Samters an das Landesentschädigungsamt Schleswig-Holstein vom 21.9.1955. LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 192.

7 Vgl.: Henry Friedlander: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung. Berlin 1997, S. 20ff.

8 Vgl.: Beate Meyer: „Jüdische Mischlinge“. Rassenpolitik und Verfolgtungserfahrung 1933-1945. 4. Auflage Hamburg 2015, S. 20f.

9 Ebenda, S. 21.

10 Ebenda, S. 43.

11 Ebenda, S. 29f.

12 Ebenda, S. 14.

13 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 23.

14 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 166, 169-174.

15 Vgl.: Online-Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de?result#frmResults.

16 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 228/10.

17 Auskunft von Herrn Jürgen Sielemann von der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V., der im Hamburger Staatsarchiv recherchierte. Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich bei Herrn Sielemann für seine Geduld, die er mir gegenüber walten ließ, und hervorragende Expertise bedanken.

18 Auskunft von Herrn Sielemann und für Edith Samter: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 95.

19 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 11.

20 Vgl.: ebenda.

21 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/13.

22 Stadtarchiv Brunsbüttel; Ordner: Recherchen zur Familie Samter. Den Zeitungsausschnitt hat Herr Uwe Möller recherchiert.

23 Vgl. LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 223/5.

24 Vgl. LAS Abt. 761, Nr. 11500, Bl. 11 und Bl. 140.

25 LAS Abt. 761, Nr. 11500, Bl. 2/12.

26 Vgl. Hans-Ulrich Thames: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945. Sonderausgabe in der Sammlung Siedler, Berlin 1994, S. 291ff. Hier findet sich auch das angeführte Goebbels-Zitat.

27 Vgl.: ebenda.

28 Marner Zeitung vom 31.3.1933, Nr. 77.

29 Marner Zeitung vom 3.4.1933, Nr. 79.

30 Franz Samters Schreiben an den Kreissonderhilfsausschuss in Meldorf vom 19. Juni 1949, hier S. 1.; LAS Abt. 761 Nr. 11500.

31 Vgl.: Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden. Katalog der ständigen Ausstellung - Haus der Wannsee-Konferenz. Berlin 2008, S. 38..

32 Vgl.: Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich. Düsseldorf 1979, S. 51-64.

33 Vgl.: Irmtrud Wojak (Hg.) im Auftrag des Fritz Bauer Instituts: Auschwitz-Prozess 4 Ks 2/63 Frankfurt am Main. Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Jahr 2004. März 2004, S. 181. Im Folgenden: Auschwitz-Prozess.

34 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/12.

35 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 62/43

36 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 59/34, 62/43, 62/41.

37 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 60/36. Hier finden sich auch die Zitate.

38 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 61/37 & 38. Hier finden sich auch die Zitate.

39 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 62/42.

40 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 62/44.

41 Ebenda.

42 Ebenda.

43 Ebenda.

44 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 66/49.

45 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 67/50.

46 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 65/47.

47 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/13.

48 Vgl.: Auschwitz-Prozess, S. 183.

49 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 59/35.

50 Vgl.: Auschwitz-Prozess, S. 183.

51 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 52/75.

52 Ebenda.

53 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 58/76. Hier auch alle zuvor angeführten Zitate.

54 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/14.

55 Ebenda.

56 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 77/62.

57 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 63/79.

58 Ebenda.

59 Vgl.: Cornelia Essner: Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns 1933-1945. Paderborn 2002, S. 113-174.

60 Vgl.: Martin Matthiessen: Erinnerungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Meldorf 1980, S. 269. Hier auch die Zitate.

61 Zitiert nach: Michael Wildt: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939. Hamburg 2007, S. 297. Zukünftig: Michael Wildt: Volksgemeinschaft.

62 Dan Diner: Die Katastrophe vor der Katastrophe. Auswanderung ohne Einwanderung. In: Dirk Blasius & Dan Diner (Hg.): Zerbrochene Geschichte. Leben und Selbstverständnis der Juden in Deutschland. Frankfurt a.M. 1991, S. 138-160.

63 Vgl.: Michael Wildt: Volksgemeinschaft. S. 298-309.

64 Vgl.: Raphael Gross: November 1938. Die Katastrophe vor der Katastrophe. München 2013, S. 9ff. Zukünftig: Raphael Gross: November 1938.

65 Vgl.: Michael Wildt: Volksgemeinschaft. S. 301-309.

66 Zu den Ereignissen des Jahres 1938 vgl.: Michael Wildt: Volksgemeinschaft. S. 301-319. Das Zitat findet sich auf S. 319.

67 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2, 12/29, 31/14 und 2/14.

68 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/14.

69 Zu den historischen Hintergründen vgl. z.B.: Raphael Gross: November 1938.

70 In dieser Darstellung irrt sich Samter, wenn er vom 9. November schreibt. Richtig ist der 10. November. Vgl.: Raphael Gross: November 1938.

71 Hierbei handelt es ich um Max Schade, geb. 1891. Vgl. Abt. 460.16 Nr. 173.

72 Himmler ordnete die Verhaftung von 20 - 30 000 „vor allem vermögende Juden“ an - vgl.: Raphael Gross: November 1938. S. 57f. Walter Samter war „Mischling 1. Grades“ und stand somit außerhalb der verfolgten Kerngruppe.

73 Aus den Veränderungsmeldungen des KZ-Sachsenhausen geht hervor, dass Samter am 23.12.1938 entlassen worden ist: ITS-Archiv, Doc No. 4094051#1.

74 LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 2/15.

75 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 222ff. und 228ff.

76 Stadtarchiv Brunsbüttel: Ordner Gewerbeakten Samter.

77 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 71/54.

78 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 140ff.

79 Diese Aussage ließ der Kreisleiter Martin Matthiessen gegenüber Franz Samter verlautbaren. Vgl. Teilbescheid im Entschädigungsverfahren Franz Samter vom 25.10.1954; LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 6.

80 Vgl.: LAS Abt. 761 Nr. 11500, Bl. 27.

81 Vgl.: Stadtarchiv Brunsbüttel: Ordner Samter und Auskunft von Herrn Jürgen Sielemann von der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V., der im Hamburger Staatsarchiv recherchierte.